Vergleich so grenzenloser Eigenschaften noch nichts ge¬ sagt haben."
Mittwoch, den 9. März 1831.
Goethe fuhr heute fort, mit der höchsten Anerken¬ nung über Walter Scott zu reden.
"Man lies't viel zu viel geringe Sachen, sagte er, womit man die Zeit verdirbt und wovon man weiter nichts hat. Man sollte eigentlich immer nur das lesen was man bewundert, wie ich in meiner Jugend that, und wie ich es nun an Walter Scott erfahre. Ich habe jetzt den Rob Roy angefangen, und will so seine besten Romane hinter einander durchlesen. Da ist frey¬ lich Alles groß, Stoff, Gehalt, Charactere, Behandlung, und dann der unendliche Fleiß in den Vorstudien, so wie in der Ausführung die große Wahrheit des Details! Man sieht aber, was die englische Geschichte ist, und was es sagen will, wenn einem tüchtigen Poeten eine solche Erbschaft zu Theil wird. Unsere deutsche Geschichte in fünf Bänden ist dagegen eine wahre Armuth, so daß man auch, nach dem Götz von Berlichingen, so¬ gleich ins Privatleben ging, und eine Agnes Ber¬ nauerin und einen Otto von Wittelsbach schrieb, womit freylich nicht viel gethan war."
Vergleich ſo grenzenloſer Eigenſchaften noch nichts ge¬ ſagt haben.“
Mittwoch, den 9. Maͤrz 1831.
Goethe fuhr heute fort, mit der hoͤchſten Anerken¬ nung uͤber Walter Scott zu reden.
„Man lieſ't viel zu viel geringe Sachen, ſagte er, womit man die Zeit verdirbt und wovon man weiter nichts hat. Man ſollte eigentlich immer nur das leſen was man bewundert, wie ich in meiner Jugend that, und wie ich es nun an Walter Scott erfahre. Ich habe jetzt den Rob Roy angefangen, und will ſo ſeine beſten Romane hinter einander durchleſen. Da iſt frey¬ lich Alles groß, Stoff, Gehalt, Charactere, Behandlung, und dann der unendliche Fleiß in den Vorſtudien, ſo wie in der Ausfuͤhrung die große Wahrheit des Details! Man ſieht aber, was die engliſche Geſchichte iſt, und was es ſagen will, wenn einem tuͤchtigen Poeten eine ſolche Erbſchaft zu Theil wird. Unſere deutſche Geſchichte in fuͤnf Baͤnden iſt dagegen eine wahre Armuth, ſo daß man auch, nach dem Goͤtz von Berlichingen, ſo¬ gleich ins Privatleben ging, und eine Agnes Ber¬ nauerin und einen Otto von Wittelsbach ſchrieb, womit freylich nicht viel gethan war.“
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Vergleich ſo grenzenloſer Eigenſchaften noch nichts ge¬
ſagt haben.“
Mittwoch, den 9. Maͤrz 1831.
Goethe fuhr heute fort, mit der hoͤchſten Anerken¬
nung uͤber Walter Scott zu reden.
„Man lieſ't viel zu viel geringe Sachen, ſagte er,
womit man die Zeit verdirbt und wovon man weiter
nichts hat. Man ſollte eigentlich immer nur das leſen
was man bewundert, wie ich in meiner Jugend that,
und wie ich es nun an Walter Scott erfahre. Ich
habe jetzt den Rob Roy angefangen, und will ſo ſeine
beſten Romane hinter einander durchleſen. Da iſt frey¬
lich Alles groß, Stoff, Gehalt, Charactere, Behandlung,
und dann der unendliche Fleiß in den Vorſtudien, ſo
wie in der Ausfuͤhrung die große Wahrheit des Details!
Man ſieht aber, was die engliſche Geſchichte iſt, und
was es ſagen will, wenn einem tuͤchtigen Poeten eine
ſolche Erbſchaft zu Theil wird. Unſere deutſche Geſchichte
in fuͤnf Baͤnden iſt dagegen eine wahre Armuth, ſo daß
man auch, nach dem Goͤtz von Berlichingen, ſo¬
gleich ins Privatleben ging, und eine Agnes Ber¬
nauerin und einen Otto von Wittelsbach ſchrieb,
womit freylich nicht viel gethan war.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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