Was aber die Franzosen im vorigen Jahrhundert in der Literatur für Männer hatten, erscheint ganz außer¬ ordentlich. Ich muß schon erstaunen, wie ich nur eben hineinblicke.
"Es war die Metamorphose einer hundertjährigen Literatur, sagte Goethe, die seit Ludwig dem vierzehn¬ ten heranwuchs, und zuletzt in voller Blüthe stand. Voltaire hetzte aber eigentlich Geister wie Diderot, D'Alembert, Beaumarchais und Andere herauf, denn um neben Ihm nur etwas zu seyn, mußte man viel seyn, und es galt kein Feyern."
Goethe erzählte mir sodann von einem jungen Pro¬ fessor der orientalischen Sprache und Literatur in Jena, der eine Zeit lang in Paris gelebt und eine so schöne Bildung habe, daß er wünsche, ich möchte ihn kennen lernen. Als ich ging, gab er mir einen Aufsatz von Schrön über den zunächst kommenden Cometen, damit ich in solchen Dingen nicht ganz fremd seyn möchte.
Dienstag den 22. März 1831.
Goethe las mir zum Nachtisch Stellen aus einem Briefe eines jungen Freundes aus Rom. Einige deut¬ sche Künstler erscheinen darin mit langen Haaren, Schnurrbärten, übergeklappten Hemdkragen auf alt¬ deutschen Röcken, Tabackspfeifen und Bullenbeißern.
Was aber die Franzoſen im vorigen Jahrhundert in der Literatur fuͤr Maͤnner hatten, erſcheint ganz außer¬ ordentlich. Ich muß ſchon erſtaunen, wie ich nur eben hineinblicke.
„Es war die Metamorphoſe einer hundertjaͤhrigen Literatur, ſagte Goethe, die ſeit Ludwig dem vierzehn¬ ten heranwuchs, und zuletzt in voller Bluͤthe ſtand. Voltaire hetzte aber eigentlich Geiſter wie Diderot, D'Alembert, Beaumarchais und Andere herauf, denn um neben Ihm nur etwas zu ſeyn, mußte man viel ſeyn, und es galt kein Feyern.“
Goethe erzaͤhlte mir ſodann von einem jungen Pro¬ feſſor der orientaliſchen Sprache und Literatur in Jena, der eine Zeit lang in Paris gelebt und eine ſo ſchoͤne Bildung habe, daß er wuͤnſche, ich moͤchte ihn kennen lernen. Als ich ging, gab er mir einen Aufſatz von Schroͤn uͤber den zunaͤchſt kommenden Cometen, damit ich in ſolchen Dingen nicht ganz fremd ſeyn moͤchte.
Dienſtag den 22. Maͤrz 1831.
Goethe las mir zum Nachtiſch Stellen aus einem Briefe eines jungen Freundes aus Rom. Einige deut¬ ſche Kuͤnſtler erſcheinen darin mit langen Haaren, Schnurrbaͤrten, uͤbergeklappten Hemdkragen auf alt¬ deutſchen Roͤcken, Tabackspfeifen und Bullenbeißern.
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Was aber die Franzoſen im vorigen Jahrhundert in
der Literatur fuͤr Maͤnner hatten, erſcheint ganz außer¬
ordentlich. Ich muß ſchon erſtaunen, wie ich nur eben
hineinblicke.
„Es war die Metamorphoſe einer hundertjaͤhrigen
Literatur, ſagte Goethe, die ſeit Ludwig dem vierzehn¬
ten heranwuchs, und zuletzt in voller Bluͤthe ſtand.
Voltaire hetzte aber eigentlich Geiſter wie Diderot,
D'Alembert, Beaumarchais und Andere herauf, denn
um neben Ihm nur etwas zu ſeyn, mußte man viel
ſeyn, und es galt kein Feyern.“
Goethe erzaͤhlte mir ſodann von einem jungen Pro¬
feſſor der orientaliſchen Sprache und Literatur in Jena,
der eine Zeit lang in Paris gelebt und eine ſo ſchoͤne
Bildung habe, daß er wuͤnſche, ich moͤchte ihn kennen
lernen. Als ich ging, gab er mir einen Aufſatz von
Schroͤn uͤber den zunaͤchſt kommenden Cometen, damit
ich in ſolchen Dingen nicht ganz fremd ſeyn moͤchte.
Dienſtag den 22. Maͤrz 1831.
Goethe las mir zum Nachtiſch Stellen aus einem
Briefe eines jungen Freundes aus Rom. Einige deut¬
ſche Kuͤnſtler erſcheinen darin mit langen Haaren,
Schnurrbaͤrten, uͤbergeklappten Hemdkragen auf alt¬
deutſchen Roͤcken, Tabackspfeifen und Bullenbeißern.
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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