Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

das ungewohnte Essen, den schweren Wein und die
Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen,
daß in dem herrlichen Lande und der prächtigen Umge¬
bung, ihn so kleine Dinge wie Essen, Trinken und
Fliegen hätten incommodiren können."

"Alle solche Neckereien gingen bey Merck unstreitig aus
dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er
nicht productiv war, sondern im Gegentheil eine ent¬
schieden negative Richtung hatte, so war er immer we¬
niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er suchte
unwillkührlich alles hervor, um solchem Kitzel zu ge¬
nügen."

Wir sprachen über Vogel und seine administrativen
Talente, so wie über *** und dessen Persönlichkeit,
"***, sagte Goethe, ist ein Mann für sich, den man
mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬
zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit
stimmte; er steht fest, man kann sich an ihm halten,
er wird immer auf der Seite des Gesetzlichen seyn."

Wir gingen nach Tisch ein wenig im Garten auf
und ab und hatten unsere Freude an den blühenden
weißen Schneeglöckchen und gelben Crokus. Auch die
Tulpen kamen hervor und wir sprachen über die Pracht
und Kostbarkeit der holländischen Gewächse solcher Art.
"Ein großer Blumenmaler, sagte Goethe, ist gar nicht
mehr denkbar; es wird jetzt zu große wissenschaftliche
Wahrheit verlangt, und der Botaniker zählt dem Künst¬

das ungewohnte Eſſen, den ſchweren Wein und die
Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen,
daß in dem herrlichen Lande und der praͤchtigen Umge¬
bung, ihn ſo kleine Dinge wie Eſſen, Trinken und
Fliegen haͤtten incommodiren koͤnnen.“

„Alle ſolche Neckereien gingen bey Merck unſtreitig aus
dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er
nicht productiv war, ſondern im Gegentheil eine ent¬
ſchieden negative Richtung hatte, ſo war er immer we¬
niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er ſuchte
unwillkuͤhrlich alles hervor, um ſolchem Kitzel zu ge¬
nuͤgen.“

Wir ſprachen uͤber Vogel und ſeine adminiſtrativen
Talente, ſo wie uͤber *** und deſſen Perſoͤnlichkeit,
„***, ſagte Goethe, iſt ein Mann fuͤr ſich, den man
mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬
zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit
ſtimmte; er ſteht feſt, man kann ſich an ihm halten,
er wird immer auf der Seite des Geſetzlichen ſeyn.“

Wir gingen nach Tiſch ein wenig im Garten auf
und ab und hatten unſere Freude an den bluͤhenden
weißen Schneegloͤckchen und gelben Crokus. Auch die
Tulpen kamen hervor und wir ſprachen uͤber die Pracht
und Koſtbarkeit der hollaͤndiſchen Gewaͤchſe ſolcher Art.
„Ein großer Blumenmaler, ſagte Goethe, iſt gar nicht
mehr denkbar; es wird jetzt zu große wiſſenſchaftliche
Wahrheit verlangt, und der Botaniker zaͤhlt dem Kuͤnſt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0339" n="329"/>
das ungewohnte E&#x017F;&#x017F;en, den &#x017F;chweren Wein und die<lb/>
Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen,<lb/>
daß in dem herrlichen Lande und der pra&#x0364;chtigen Umge¬<lb/>
bung, ihn &#x017F;o kleine Dinge wie E&#x017F;&#x017F;en, Trinken und<lb/>
Fliegen ha&#x0364;tten incommodiren ko&#x0364;nnen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Alle &#x017F;olche Neckereien gingen bey Merck un&#x017F;treitig aus<lb/>
dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er<lb/>
nicht productiv war, &#x017F;ondern im Gegentheil eine ent¬<lb/>
&#x017F;chieden negative Richtung hatte, &#x017F;o war er immer we¬<lb/>
niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er &#x017F;uchte<lb/>
unwillku&#x0364;hrlich alles hervor, um &#x017F;olchem Kitzel zu ge¬<lb/>
nu&#x0364;gen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;prachen u&#x0364;ber <hi rendition="#g">Vogel</hi> und &#x017F;eine admini&#x017F;trativen<lb/>
Talente, &#x017F;o wie u&#x0364;ber *** und de&#x017F;&#x017F;en Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit,<lb/>
&#x201E;***, &#x017F;agte Goethe, i&#x017F;t ein Mann fu&#x0364;r &#x017F;ich, den man<lb/>
mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬<lb/>
zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit<lb/>
&#x017F;timmte; er &#x017F;teht fe&#x017F;t, man kann &#x017F;ich an ihm halten,<lb/>
er wird immer auf der Seite des Ge&#x017F;etzlichen &#x017F;eyn.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Wir gingen nach Ti&#x017F;ch ein wenig im Garten auf<lb/>
und ab und hatten un&#x017F;ere Freude an den blu&#x0364;henden<lb/>
weißen Schneeglo&#x0364;ckchen und gelben Crokus. Auch die<lb/>
Tulpen kamen hervor und wir &#x017F;prachen u&#x0364;ber die Pracht<lb/>
und Ko&#x017F;tbarkeit der holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Gewa&#x0364;ch&#x017F;e &#x017F;olcher Art.<lb/>
&#x201E;Ein großer Blumenmaler, &#x017F;agte Goethe, i&#x017F;t gar nicht<lb/>
mehr denkbar; es wird jetzt zu große wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Wahrheit verlangt, und der Botaniker za&#x0364;hlt dem Ku&#x0364;n&#x017F;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0339] das ungewohnte Eſſen, den ſchweren Wein und die Muskito's beklagt, und er konnte ihm nicht verzeihen, daß in dem herrlichen Lande und der praͤchtigen Umge¬ bung, ihn ſo kleine Dinge wie Eſſen, Trinken und Fliegen haͤtten incommodiren koͤnnen.“ „Alle ſolche Neckereien gingen bey Merck unſtreitig aus dem Fundament einer hohen Cultur hervor; all eida er nicht productiv war, ſondern im Gegentheil eine ent¬ ſchieden negative Richtung hatte, ſo war er immer we¬ niger zum Lobe bereit als zum Tadel, und er ſuchte unwillkuͤhrlich alles hervor, um ſolchem Kitzel zu ge¬ nuͤgen.“ Wir ſprachen uͤber Vogel und ſeine adminiſtrativen Talente, ſo wie uͤber *** und deſſen Perſoͤnlichkeit, „***, ſagte Goethe, iſt ein Mann fuͤr ſich, den man mit keinem andern vergleichen kann. Er war der Ein¬ zige, der mit mir gegen den Unfug der Preßfreyheit ſtimmte; er ſteht feſt, man kann ſich an ihm halten, er wird immer auf der Seite des Geſetzlichen ſeyn.“ Wir gingen nach Tiſch ein wenig im Garten auf und ab und hatten unſere Freude an den bluͤhenden weißen Schneegloͤckchen und gelben Crokus. Auch die Tulpen kamen hervor und wir ſprachen uͤber die Pracht und Koſtbarkeit der hollaͤndiſchen Gewaͤchſe ſolcher Art. „Ein großer Blumenmaler, ſagte Goethe, iſt gar nicht mehr denkbar; es wird jetzt zu große wiſſenſchaftliche Wahrheit verlangt, und der Botaniker zaͤhlt dem Kuͤnſt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/339
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/339>, abgerufen am 24.11.2024.