halte in Italien, heitere Sachen, die uns sehr be¬ hagten.
In Meyers Nähe wird es mir immer wohl, welches daher kommen mag, daß er ein in sich abgeschlossenes zufriedenes Wesen ist, das von der Umgebung wenig Notiz nimmt, und dagegen sein eigenes behagliches In¬ nere in schicklichen Pausen hervorkehrt. Dabey ist er in allem fundirt, besitzt den höchsten Schatz von Kennt¬ nissen, und ein Gedächtniß, dem die entferntesten Dinge gegenwärtig sind, als wären sie gestern geschehen. Er hat ein Übergewicht von Verstand, den man fürchten müßte, wenn er nicht auf der edelsten Cultur ruhte; aber so ist seine stille Gegenwart immer angenehm, im¬ mer belehrend.
Freitag den 1. April 1831.
Mit Goethe zu Tisch in mannigfaltigen Gesprächen. Er zeigte mir ein Aquarell-Gemälde von Herrn v. Reu¬ tern, einen jungen Bauern darstellend, der auf dem Markt einer kleinen Stadt bey einer Korb- und Decken- Verkäuferin steht. Der junge Mensch sieht die vor ihm liegenden Körbe an, während zwey sitzende Frauen und ein dabey stehendes derbes Mädchen den hübschen jun¬ gen Menschen mit Wohlgefallen anblicken. Das Bild componirt so artig, und der Ausdruck der Figuren ist
halte in Italien, heitere Sachen, die uns ſehr be¬ hagten.
In Meyers Naͤhe wird es mir immer wohl, welches daher kommen mag, daß er ein in ſich abgeſchloſſenes zufriedenes Weſen iſt, das von der Umgebung wenig Notiz nimmt, und dagegen ſein eigenes behagliches In¬ nere in ſchicklichen Pauſen hervorkehrt. Dabey iſt er in allem fundirt, beſitzt den hoͤchſten Schatz von Kennt¬ niſſen, und ein Gedaͤchtniß, dem die entfernteſten Dinge gegenwaͤrtig ſind, als waͤren ſie geſtern geſchehen. Er hat ein Übergewicht von Verſtand, den man fuͤrchten muͤßte, wenn er nicht auf der edelſten Cultur ruhte; aber ſo iſt ſeine ſtille Gegenwart immer angenehm, im¬ mer belehrend.
Freitag den 1. April 1831.
Mit Goethe zu Tiſch in mannigfaltigen Geſpraͤchen. Er zeigte mir ein Aquarell-Gemaͤlde von Herrn v. Reu¬ tern, einen jungen Bauern darſtellend, der auf dem Markt einer kleinen Stadt bey einer Korb- und Decken- Verkaͤuferin ſteht. Der junge Menſch ſieht die vor ihm liegenden Koͤrbe an, waͤhrend zwey ſitzende Frauen und ein dabey ſtehendes derbes Maͤdchen den huͤbſchen jun¬ gen Menſchen mit Wohlgefallen anblicken. Das Bild componirt ſo artig, und der Ausdruck der Figuren iſt
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halte in Italien, heitere Sachen, die uns ſehr be¬
hagten.
In Meyers Naͤhe wird es mir immer wohl, welches
daher kommen mag, daß er ein in ſich abgeſchloſſenes
zufriedenes Weſen iſt, das von der Umgebung wenig
Notiz nimmt, und dagegen ſein eigenes behagliches In¬
nere in ſchicklichen Pauſen hervorkehrt. Dabey iſt er
in allem fundirt, beſitzt den hoͤchſten Schatz von Kennt¬
niſſen, und ein Gedaͤchtniß, dem die entfernteſten Dinge
gegenwaͤrtig ſind, als waͤren ſie geſtern geſchehen. Er
hat ein Übergewicht von Verſtand, den man fuͤrchten
muͤßte, wenn er nicht auf der edelſten Cultur ruhte;
aber ſo iſt ſeine ſtille Gegenwart immer angenehm, im¬
mer belehrend.
Freitag den 1. April 1831.
Mit Goethe zu Tiſch in mannigfaltigen Geſpraͤchen.
Er zeigte mir ein Aquarell-Gemaͤlde von Herrn v. Reu¬
tern, einen jungen Bauern darſtellend, der auf dem
Markt einer kleinen Stadt bey einer Korb- und Decken-
Verkaͤuferin ſteht. Der junge Menſch ſieht die vor ihm
liegenden Koͤrbe an, waͤhrend zwey ſitzende Frauen und
ein dabey ſtehendes derbes Maͤdchen den huͤbſchen jun¬
gen Menſchen mit Wohlgefallen anblicken. Das Bild
componirt ſo artig, und der Ausdruck der Figuren iſt
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/346>, abgerufen am 24.11.2024.
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