verworrene Zustände mit großer Klarheit auseinander zu setzen, so daß alles zu Massen und zu ruhigen Bildern sich absondert, die einen solchen Eindruck in uns hin¬ terlassen, als hätten wir dasjenige, was zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten geschieht, gleich allwissenden We¬ sen, von oben herab mit Einem Male übersehen.
"Überhaupt, sagte Goethe, ist der Kunstverstand bey Walter Scott sehr groß, weßhalb denn auch wir und unsers Gleichen, die darauf, wie etwas gemacht ist, ein besonderes Augenmerk richten, an seinen Sachen ein doppeltes Interesse und davon den vorzüglichsten Gewinn haben. Ich will Ihnen nicht vorgreifen, aber Sie wer¬ den im dritten Theile noch einen Kunstpfiff der ersten Art finden. Daß der Prinz im Staatsrath den klugen Vorschlag gethan, die rebellischen Hochländer sich unter einander todt schlagen zu lassen, haben Sie bereits ge¬ lesen, auch daß der Palm-Sonntag festgesetzt worden, wo die beyden feindlichen Stämme der Hochländer nach Perth herabkommen sollen, um dreyßig gegen dreyßig auf Tod und Leben mit einander zu fechten. Nun sollen Sie bewundern, wie Walter Scott es macht und ein¬ leitet, daß am Tage der Schlacht an der einen Partey ein Mann fehlt, und mit welcher Kunst er es von fern her anzustellen weiß, seinen Helden Henri Smith an den Platz des fehlenden Mannes unter die Kämpfenden zu bringen! -- Dieser Zug ist überaus groß, und Sie werden sich freuen, wenn Sie dahin kommen."
verworrene Zuſtaͤnde mit großer Klarheit auseinander zu ſetzen, ſo daß alles zu Maſſen und zu ruhigen Bildern ſich abſondert, die einen ſolchen Eindruck in uns hin¬ terlaſſen, als haͤtten wir dasjenige, was zu gleicher Zeit an verſchiedenen Orten geſchieht, gleich allwiſſenden We¬ ſen, von oben herab mit Einem Male uͤberſehen.
„Überhaupt, ſagte Goethe, iſt der Kunſtverſtand bey Walter Scott ſehr groß, weßhalb denn auch wir und unſers Gleichen, die darauf, wie etwas gemacht iſt, ein beſonderes Augenmerk richten, an ſeinen Sachen ein doppeltes Intereſſe und davon den vorzuͤglichſten Gewinn haben. Ich will Ihnen nicht vorgreifen, aber Sie wer¬ den im dritten Theile noch einen Kunſtpfiff der erſten Art finden. Daß der Prinz im Staatsrath den klugen Vorſchlag gethan, die rebelliſchen Hochlaͤnder ſich unter einander todt ſchlagen zu laſſen, haben Sie bereits ge¬ leſen, auch daß der Palm-Sonntag feſtgeſetzt worden, wo die beyden feindlichen Staͤmme der Hochlaͤnder nach Perth herabkommen ſollen, um dreyßig gegen dreyßig auf Tod und Leben mit einander zu fechten. Nun ſollen Sie bewundern, wie Walter Scott es macht und ein¬ leitet, daß am Tage der Schlacht an der einen Partey ein Mann fehlt, und mit welcher Kunſt er es von fern her anzuſtellen weiß, ſeinen Helden Henri Smith an den Platz des fehlenden Mannes unter die Kaͤmpfenden zu bringen! — Dieſer Zug iſt uͤberaus groß, und Sie werden ſich freuen, wenn Sie dahin kommen.“
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0037"n="27"/>
verworrene Zuſtaͤnde mit großer Klarheit auseinander zu<lb/>ſetzen, ſo daß alles zu Maſſen und zu ruhigen Bildern<lb/>ſich abſondert, die einen ſolchen Eindruck in uns hin¬<lb/>
terlaſſen, als haͤtten wir dasjenige, was zu gleicher Zeit<lb/>
an verſchiedenen Orten geſchieht, gleich allwiſſenden We¬<lb/>ſen, von oben herab mit Einem Male uͤberſehen.</p><lb/><p>„Überhaupt, ſagte Goethe, iſt der Kunſtverſtand bey<lb/>
Walter Scott ſehr groß, weßhalb denn auch wir und<lb/>
unſers Gleichen, die darauf, <hirendition="#g">wie</hi> etwas gemacht iſt, ein<lb/>
beſonderes Augenmerk richten, an ſeinen Sachen ein<lb/>
doppeltes Intereſſe und davon den vorzuͤglichſten Gewinn<lb/>
haben. Ich will Ihnen nicht vorgreifen, aber Sie wer¬<lb/>
den im dritten Theile noch einen Kunſtpfiff der erſten<lb/>
Art finden. Daß der Prinz im Staatsrath den klugen<lb/>
Vorſchlag gethan, die rebelliſchen Hochlaͤnder ſich unter<lb/>
einander todt ſchlagen zu laſſen, haben Sie bereits ge¬<lb/>
leſen, auch daß der Palm-Sonntag feſtgeſetzt worden,<lb/>
wo die beyden feindlichen Staͤmme der Hochlaͤnder nach<lb/>
Perth herabkommen ſollen, um dreyßig gegen dreyßig<lb/>
auf Tod und Leben mit einander zu fechten. Nun ſollen<lb/>
Sie bewundern, wie Walter Scott es macht und ein¬<lb/>
leitet, daß am Tage der Schlacht an der einen Partey<lb/>
ein Mann fehlt, und mit welcher Kunſt er es von fern<lb/>
her anzuſtellen weiß, ſeinen Helden Henri Smith an<lb/>
den Platz des fehlenden Mannes unter die Kaͤmpfenden<lb/>
zu bringen! — Dieſer Zug iſt uͤberaus groß, und Sie<lb/>
werden ſich freuen, wenn Sie dahin kommen.“</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[27/0037]
verworrene Zuſtaͤnde mit großer Klarheit auseinander zu
ſetzen, ſo daß alles zu Maſſen und zu ruhigen Bildern
ſich abſondert, die einen ſolchen Eindruck in uns hin¬
terlaſſen, als haͤtten wir dasjenige, was zu gleicher Zeit
an verſchiedenen Orten geſchieht, gleich allwiſſenden We¬
ſen, von oben herab mit Einem Male uͤberſehen.
„Überhaupt, ſagte Goethe, iſt der Kunſtverſtand bey
Walter Scott ſehr groß, weßhalb denn auch wir und
unſers Gleichen, die darauf, wie etwas gemacht iſt, ein
beſonderes Augenmerk richten, an ſeinen Sachen ein
doppeltes Intereſſe und davon den vorzuͤglichſten Gewinn
haben. Ich will Ihnen nicht vorgreifen, aber Sie wer¬
den im dritten Theile noch einen Kunſtpfiff der erſten
Art finden. Daß der Prinz im Staatsrath den klugen
Vorſchlag gethan, die rebelliſchen Hochlaͤnder ſich unter
einander todt ſchlagen zu laſſen, haben Sie bereits ge¬
leſen, auch daß der Palm-Sonntag feſtgeſetzt worden,
wo die beyden feindlichen Staͤmme der Hochlaͤnder nach
Perth herabkommen ſollen, um dreyßig gegen dreyßig
auf Tod und Leben mit einander zu fechten. Nun ſollen
Sie bewundern, wie Walter Scott es macht und ein¬
leitet, daß am Tage der Schlacht an der einen Partey
ein Mann fehlt, und mit welcher Kunſt er es von fern
her anzuſtellen weiß, ſeinen Helden Henri Smith an
den Platz des fehlenden Mannes unter die Kaͤmpfenden
zu bringen! — Dieſer Zug iſt uͤberaus groß, und Sie
werden ſich freuen, wenn Sie dahin kommen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/37>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.