nicht den Spaß mache. Aber ohne diese Aussicht wäre dazu wenig Reiz, denn ein Stück auf dem Papiere ist gar nichts. Der Dichter muß die Mittel kennen, mit denen er wirken will, und er muß seine Rollen denen Figuren auf den Leib schreiben, die sie spielen sollen. Habe ich also auf Genast und seine Frau zu rechnen, und nehme ich dazu La Roche, Herrn Winterberger und Madam Seidel, so weiß ich was ich zu thun habe, und kann der Ausführung meiner Intentionen gewiß seyn."
"Für das Theater zu schreiben, fuhr Goethe fort, ist ein eigenes Ding, und wer es nicht durch und durch kennet, der mag es unterlassen. Ein interessantes Fac¬ tum, denkt jeder, werde auch interessant auf den Bret¬ tern erscheinen; aber mit nichten! -- Es können Dinge ganz hübsch zu lesen und hübsch zu denken seyn, aber, auf die Bretter gebracht, sieht das ganz anders aus, und was uns im Buche entzückte, wird uns von der Bühne herunter vielleicht kalt lassen. Wenn man meinen Hermann und Dorothea lieset, so denkt man, das wäre auch auf dem Theater zu sehen. Töpfer hat sich ver¬ führen lassen es hinaufzubringen; allein was ist es, was wirkt es, zumal wenn es nicht ganz vorzüglich gespielt wird, und wer kann sagen, daß es in jeder Hinsicht ein gutes Stück sey? -- Für das Theater zu schreiben ist ein Metier, das man kennen soll, und will ein Talent, das man besitzen muß. Beydes ist selten,
nicht den Spaß mache. Aber ohne dieſe Ausſicht waͤre dazu wenig Reiz, denn ein Stuͤck auf dem Papiere iſt gar nichts. Der Dichter muß die Mittel kennen, mit denen er wirken will, und er muß ſeine Rollen denen Figuren auf den Leib ſchreiben, die ſie ſpielen ſollen. Habe ich alſo auf Genaſt und ſeine Frau zu rechnen, und nehme ich dazu La Roche, Herrn Winterberger und Madam Seidel, ſo weiß ich was ich zu thun habe, und kann der Ausfuͤhrung meiner Intentionen gewiß ſeyn.“
„Fuͤr das Theater zu ſchreiben, fuhr Goethe fort, iſt ein eigenes Ding, und wer es nicht durch und durch kennet, der mag es unterlaſſen. Ein intereſſantes Fac¬ tum, denkt jeder, werde auch intereſſant auf den Bret¬ tern erſcheinen; aber mit nichten! — Es koͤnnen Dinge ganz huͤbſch zu leſen und huͤbſch zu denken ſeyn, aber, auf die Bretter gebracht, ſieht das ganz anders aus, und was uns im Buche entzuͤckte, wird uns von der Buͤhne herunter vielleicht kalt laſſen. Wenn man meinen Hermann und Dorothea lieſet, ſo denkt man, das waͤre auch auf dem Theater zu ſehen. Toͤpfer hat ſich ver¬ fuͤhren laſſen es hinaufzubringen; allein was iſt es, was wirkt es, zumal wenn es nicht ganz vorzuͤglich geſpielt wird, und wer kann ſagen, daß es in jeder Hinſicht ein gutes Stuͤck ſey? — Fuͤr das Theater zu ſchreiben iſt ein Metier, das man kennen ſoll, und will ein Talent, das man beſitzen muß. Beydes iſt ſelten,
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0069"n="59"/>
nicht den Spaß mache. Aber ohne dieſe Ausſicht waͤre<lb/>
dazu wenig Reiz, denn ein Stuͤck auf dem Papiere iſt<lb/>
gar nichts. Der Dichter muß die Mittel kennen, mit<lb/>
denen er wirken will, und er muß ſeine Rollen denen<lb/>
Figuren auf den Leib ſchreiben, die ſie ſpielen ſollen.<lb/>
Habe ich alſo auf Genaſt und ſeine Frau zu rechnen,<lb/>
und nehme ich dazu La Roche, Herrn Winterberger und<lb/>
Madam Seidel, ſo weiß ich was ich zu thun habe,<lb/>
und kann der Ausfuͤhrung meiner Intentionen gewiß<lb/>ſeyn.“</p><lb/><p>„Fuͤr das Theater zu ſchreiben, fuhr Goethe fort, iſt<lb/>
ein eigenes Ding, und wer es nicht durch und durch<lb/>
kennet, der mag es unterlaſſen. Ein intereſſantes Fac¬<lb/>
tum, denkt jeder, werde auch intereſſant auf den Bret¬<lb/>
tern erſcheinen; aber mit nichten! — Es koͤnnen Dinge<lb/>
ganz huͤbſch zu leſen und huͤbſch zu denken ſeyn, aber,<lb/>
auf die Bretter gebracht, ſieht das ganz anders aus,<lb/>
und was uns im Buche entzuͤckte, wird uns von der<lb/>
Buͤhne herunter vielleicht kalt laſſen. Wenn man meinen<lb/>
Hermann und Dorothea lieſet, ſo denkt man, das waͤre<lb/>
auch auf dem Theater zu ſehen. <hirendition="#g">Toͤpfer</hi> hat ſich ver¬<lb/>
fuͤhren laſſen es hinaufzubringen; allein was iſt es,<lb/>
was wirkt es, zumal wenn es nicht ganz vorzuͤglich<lb/>
geſpielt wird, und wer kann ſagen, daß es in jeder<lb/>
Hinſicht ein gutes Stuͤck ſey? — Fuͤr das Theater zu<lb/>ſchreiben iſt ein Metier, das man kennen ſoll, und will<lb/>
ein Talent, das man beſitzen muß. Beydes iſt ſelten,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[59/0069]
nicht den Spaß mache. Aber ohne dieſe Ausſicht waͤre
dazu wenig Reiz, denn ein Stuͤck auf dem Papiere iſt
gar nichts. Der Dichter muß die Mittel kennen, mit
denen er wirken will, und er muß ſeine Rollen denen
Figuren auf den Leib ſchreiben, die ſie ſpielen ſollen.
Habe ich alſo auf Genaſt und ſeine Frau zu rechnen,
und nehme ich dazu La Roche, Herrn Winterberger und
Madam Seidel, ſo weiß ich was ich zu thun habe,
und kann der Ausfuͤhrung meiner Intentionen gewiß
ſeyn.“
„Fuͤr das Theater zu ſchreiben, fuhr Goethe fort, iſt
ein eigenes Ding, und wer es nicht durch und durch
kennet, der mag es unterlaſſen. Ein intereſſantes Fac¬
tum, denkt jeder, werde auch intereſſant auf den Bret¬
tern erſcheinen; aber mit nichten! — Es koͤnnen Dinge
ganz huͤbſch zu leſen und huͤbſch zu denken ſeyn, aber,
auf die Bretter gebracht, ſieht das ganz anders aus,
und was uns im Buche entzuͤckte, wird uns von der
Buͤhne herunter vielleicht kalt laſſen. Wenn man meinen
Hermann und Dorothea lieſet, ſo denkt man, das waͤre
auch auf dem Theater zu ſehen. Toͤpfer hat ſich ver¬
fuͤhren laſſen es hinaufzubringen; allein was iſt es,
was wirkt es, zumal wenn es nicht ganz vorzuͤglich
geſpielt wird, und wer kann ſagen, daß es in jeder
Hinſicht ein gutes Stuͤck ſey? — Fuͤr das Theater zu
ſchreiben iſt ein Metier, das man kennen ſoll, und will
ein Talent, das man beſitzen muß. Beydes iſt ſelten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/69>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.