genstände sind etwas Todtes, das nicht mehr entsteht, und an eine Synthese ist dabey nicht zu denken. Die Gegenstände der Meteorologie sind zwar etwas Le¬ bendiges, das wir täglich wirken und schaffen sehen, sie setzen eine Synthese voraus; allein der Mitwirkungen sind so mannigfaltige, daß der Mensch dieser Synthese nicht gewachsen ist, und er sich daher in seinen Beob¬ achtungen und Forschungen unnütz abmühet. Wir steuern dabey auf Hypothesen los, auf imaginäre Inseln, aber die eigentliche Synthese wird wahrscheinlich ein unent¬ decktes Land bleiben. Und mich wundert es nicht, wenn ich bedenke, wie schwer es gehalten, selbst in so einfachen Dingen, wie die Pflanze und die Farbe, zu einiger Synthese zu gelangen."
Sonntag, den 15. Februar 1829.
Goethe empfing mich mit großem Lobe wegen mei¬ ner Redaction der naturhistorischen Aphorismen für die Wanderjahre. "Werfen Sie sich auf die Natur, sagte er, Sie sind dafür geboren, und schreiben Sie zunächst ein Compendium der Farbenlehre." Wir sprachen viel über diesen Gegenstand.
Eine Kiste vom Niederrhein langte an, mit ausge¬ grabenen antiken Gefäßen, Mineralien, kleinen Dom¬
genſtaͤnde ſind etwas Todtes, das nicht mehr entſteht, und an eine Syntheſe iſt dabey nicht zu denken. Die Gegenſtaͤnde der Meteorologie ſind zwar etwas Le¬ bendiges, das wir taͤglich wirken und ſchaffen ſehen, ſie ſetzen eine Syntheſe voraus; allein der Mitwirkungen ſind ſo mannigfaltige, daß der Menſch dieſer Syntheſe nicht gewachſen iſt, und er ſich daher in ſeinen Beob¬ achtungen und Forſchungen unnuͤtz abmuͤhet. Wir ſteuern dabey auf Hypotheſen los, auf imaginaͤre Inſeln, aber die eigentliche Syntheſe wird wahrſcheinlich ein unent¬ decktes Land bleiben. Und mich wundert es nicht, wenn ich bedenke, wie ſchwer es gehalten, ſelbſt in ſo einfachen Dingen, wie die Pflanze und die Farbe, zu einiger Syntheſe zu gelangen.“
Sonntag, den 15. Februar 1829.
Goethe empfing mich mit großem Lobe wegen mei¬ ner Redaction der naturhiſtoriſchen Aphorismen fuͤr die Wanderjahre. „Werfen Sie ſich auf die Natur, ſagte er, Sie ſind dafuͤr geboren, und ſchreiben Sie zunaͤchſt ein Compendium der Farbenlehre.“ Wir ſprachen viel uͤber dieſen Gegenſtand.
Eine Kiſte vom Niederrhein langte an, mit ausge¬ grabenen antiken Gefaͤßen, Mineralien, kleinen Dom¬
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genſtaͤnde ſind etwas Todtes, das nicht mehr entſteht,
und an eine Syntheſe iſt dabey nicht zu denken. Die
Gegenſtaͤnde der Meteorologie ſind zwar etwas Le¬
bendiges, das wir taͤglich wirken und ſchaffen ſehen, ſie
ſetzen eine Syntheſe voraus; allein der Mitwirkungen
ſind ſo mannigfaltige, daß der Menſch dieſer Syntheſe
nicht gewachſen iſt, und er ſich daher in ſeinen Beob¬
achtungen und Forſchungen unnuͤtz abmuͤhet. Wir ſteuern
dabey auf Hypotheſen los, auf imaginaͤre Inſeln, aber
die eigentliche Syntheſe wird wahrſcheinlich ein unent¬
decktes Land bleiben. Und mich wundert es nicht, wenn
ich bedenke, wie ſchwer es gehalten, ſelbſt in ſo einfachen
Dingen, wie die Pflanze und die Farbe, zu einiger
Syntheſe zu gelangen.“
Sonntag, den 15. Februar 1829.
Goethe empfing mich mit großem Lobe wegen mei¬
ner Redaction der naturhiſtoriſchen Aphorismen fuͤr die
Wanderjahre. „Werfen Sie ſich auf die Natur, ſagte
er, Sie ſind dafuͤr geboren, und ſchreiben Sie zunaͤchſt
ein Compendium der Farbenlehre.“ Wir ſprachen viel
uͤber dieſen Gegenſtand.
Eine Kiſte vom Niederrhein langte an, mit ausge¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/79>, abgerufen am 25.11.2024.
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