gung liegt, sich fortwährend auf der Höhe des Vortreff¬ lichen zu erhalten.
"Shakspeare und Moliere, erwiederte Goethe, hatten auch keine andere. Beide wollten auch vor allen Dingen mit ihren Theatern Geld verdienen. Damit sie aber diesen ihren Hauptzweck erreichten, mußten sie dahin trachten, daß fortwährend Alles im besten Stande und neben dem alten Guten immer von Zeit zu Zeit etwas tüchtiges Neues dasey, das reize und anlocke. Das Verbot des Tartüff war für Moliere ein Donner¬ schlag; aber nicht sowohl für den Poeten, als für den Director Moliere, der für das Wohl einer bedeuten¬ den Truppe zu sorgen hatte, und der sehen mußte, wie er für sich und die Seinigen Brod schaffte."
"Nichts, fuhr Goethe fort, ist für das Wohl eines Theaters gefährlicher, als wenn die Direction so gestellt ist, daß eine größere oder geringere Einnahme der Casse sie persönlich nicht weiter berührt, und sie in der sorglosen Gewißheit hinleben kann, daß dasjenige, was im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater- Casse gefehlt hat, am Ende desselben aus irgend einer andern Quelle ersetzt wird. Es liegt einmal in der menschlichen Natur, daß sie leicht erschlafft, wenn per¬ sönliche Vortheile oder Nachtheile sie nicht nöthigen. Nun ist zwar nicht zu verlangen, daß ein Theater in einer Stadt wie Weimar sich selbst erhalten solle und daß kein jährlicher Zuschuß aus der fürstlichen Casse
gung liegt, ſich fortwährend auf der Höhe des Vortreff¬ lichen zu erhalten.
„Shakſpeare und Moliere, erwiederte Goethe, hatten auch keine andere. Beide wollten auch vor allen Dingen mit ihren Theatern Geld verdienen. Damit ſie aber dieſen ihren Hauptzweck erreichten, mußten ſie dahin trachten, daß fortwährend Alles im beſten Stande und neben dem alten Guten immer von Zeit zu Zeit etwas tüchtiges Neues daſey, das reize und anlocke. Das Verbot des Tartüff war für Moliere ein Donner¬ ſchlag; aber nicht ſowohl für den Poeten, als für den Director Moliere, der für das Wohl einer bedeuten¬ den Truppe zu ſorgen hatte, und der ſehen mußte, wie er für ſich und die Seinigen Brod ſchaffte.“
„Nichts, fuhr Goethe fort, iſt für das Wohl eines Theaters gefährlicher, als wenn die Direction ſo geſtellt iſt, daß eine größere oder geringere Einnahme der Caſſe ſie perſönlich nicht weiter berührt, und ſie in der ſorgloſen Gewißheit hinleben kann, daß dasjenige, was im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater- Caſſe gefehlt hat, am Ende deſſelben aus irgend einer andern Quelle erſetzt wird. Es liegt einmal in der menſchlichen Natur, daß ſie leicht erſchlafft, wenn per¬ ſönliche Vortheile oder Nachtheile ſie nicht nöthigen. Nun iſt zwar nicht zu verlangen, daß ein Theater in einer Stadt wie Weimar ſich ſelbſt erhalten ſolle und daß kein jährlicher Zuſchuß aus der fürſtlichen Caſſe
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0113"n="91"/>
gung liegt, ſich fortwährend auf der Höhe des Vortreff¬<lb/>
lichen zu erhalten.</p><lb/><p>„Shakſpeare und Moliere, erwiederte Goethe, hatten<lb/>
auch keine andere. Beide wollten auch vor allen<lb/>
Dingen mit ihren Theatern Geld verdienen. Damit<lb/>ſie aber dieſen ihren Hauptzweck erreichten, mußten ſie<lb/>
dahin trachten, daß fortwährend Alles im beſten Stande<lb/>
und neben dem alten Guten immer von Zeit zu Zeit<lb/>
etwas tüchtiges Neues daſey, das reize und anlocke.<lb/>
Das Verbot des Tartüff war für Moliere ein Donner¬<lb/>ſchlag; aber nicht ſowohl für den Poeten, als für den<lb/><hirendition="#g">Director</hi> Moliere, der für das Wohl einer bedeuten¬<lb/>
den Truppe zu ſorgen hatte, und der ſehen mußte, wie<lb/>
er für ſich und die Seinigen Brod ſchaffte.“</p><lb/><p>„Nichts, fuhr Goethe fort, iſt für das Wohl eines<lb/>
Theaters gefährlicher, als wenn die Direction ſo geſtellt<lb/>
iſt, daß eine größere oder geringere Einnahme der<lb/>
Caſſe ſie perſönlich nicht weiter berührt, und ſie in der<lb/>ſorgloſen Gewißheit hinleben kann, daß dasjenige, was<lb/>
im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater-<lb/>
Caſſe gefehlt hat, am Ende deſſelben aus irgend einer<lb/>
andern Quelle erſetzt wird. Es liegt einmal in der<lb/>
menſchlichen Natur, daß ſie leicht erſchlafft, wenn per¬<lb/>ſönliche Vortheile oder Nachtheile ſie nicht nöthigen.<lb/>
Nun iſt zwar nicht zu verlangen, daß ein Theater in<lb/>
einer Stadt wie Weimar ſich ſelbſt erhalten ſolle und<lb/>
daß kein jährlicher Zuſchuß aus der fürſtlichen Caſſe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[91/0113]
gung liegt, ſich fortwährend auf der Höhe des Vortreff¬
lichen zu erhalten.
„Shakſpeare und Moliere, erwiederte Goethe, hatten
auch keine andere. Beide wollten auch vor allen
Dingen mit ihren Theatern Geld verdienen. Damit
ſie aber dieſen ihren Hauptzweck erreichten, mußten ſie
dahin trachten, daß fortwährend Alles im beſten Stande
und neben dem alten Guten immer von Zeit zu Zeit
etwas tüchtiges Neues daſey, das reize und anlocke.
Das Verbot des Tartüff war für Moliere ein Donner¬
ſchlag; aber nicht ſowohl für den Poeten, als für den
Director Moliere, der für das Wohl einer bedeuten¬
den Truppe zu ſorgen hatte, und der ſehen mußte, wie
er für ſich und die Seinigen Brod ſchaffte.“
„Nichts, fuhr Goethe fort, iſt für das Wohl eines
Theaters gefährlicher, als wenn die Direction ſo geſtellt
iſt, daß eine größere oder geringere Einnahme der
Caſſe ſie perſönlich nicht weiter berührt, und ſie in der
ſorgloſen Gewißheit hinleben kann, daß dasjenige, was
im Laufe des Jahres an der Einnahme der Theater-
Caſſe gefehlt hat, am Ende deſſelben aus irgend einer
andern Quelle erſetzt wird. Es liegt einmal in der
menſchlichen Natur, daß ſie leicht erſchlafft, wenn per¬
ſönliche Vortheile oder Nachtheile ſie nicht nöthigen.
Nun iſt zwar nicht zu verlangen, daß ein Theater in
einer Stadt wie Weimar ſich ſelbſt erhalten ſolle und
daß kein jährlicher Zuſchuß aus der fürſtlichen Caſſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/113>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.