Bogenschützen zu Tausenden hätten. Ueberhaupt mit einer erwachsenen Generation ist nie viel zu machen, in kör¬ perlichen Dingen, wie in geistigen, in Dingen des Geschmacks, wie des Charakters. Seid aber klug und fanget in den Schulen an, und es wird gehen."
Aber unsere deutschen Turnlehrer, erwiederte ich, wissen mit Pfeil und Bogen nicht umzugehen.
"Nun, antwortete Goethe, da mögen sich einige Turn-Anstalten vereinigen und einen tüchtigen Schützen aus Flandern oder Brabant kommen lassen. Oder sie mögen auch einige hübsche wohlgewachsene junge Turner nach Brabant schicken, daß sie sich dort zu guten Schützen ausbilden und auch lernen, wie man die Bogen schnitze und die Pfeile mache. Diese könnten dann in deutschen Turn-Anstalten als Lehrer eintreten, als wandernde Lehrer, die sich bald bei dieser Anstalt eine Zeitlang aufhielten und bald bei einer andern."
"Ich bin, fuhr Goethe fort, den deutschen Turn- Uebungen durchaus nicht abgeneigt. Umsomehr hat es mir Leid gethan, daß sich sehr bald allerlei Politisches dabei einschlich, so daß die Behörden sich genöthigt sahen, sie zu beschränken, oder wohl gar zu verbieten und aufzuheben. Dadurch ist nun das Kind mit dem Bade verschüttet. Aber ich hoffe, daß man die Turn- Anstalten wieder herstelle, denn unsere deutsche Jugend bedarf es, besonders die studirende, der bei dem vielen geistigen und gelehrten Treiben alles körperliche Gleich¬
III. 7
Bogenſchützen zu Tauſenden hätten. Ueberhaupt mit einer erwachſenen Generation iſt nie viel zu machen, in kör¬ perlichen Dingen, wie in geiſtigen, in Dingen des Geſchmacks, wie des Charakters. Seid aber klug und fanget in den Schulen an, und es wird gehen.“
Aber unſere deutſchen Turnlehrer, erwiederte ich, wiſſen mit Pfeil und Bogen nicht umzugehen.
„Nun, antwortete Goethe, da mögen ſich einige Turn-Anſtalten vereinigen und einen tüchtigen Schützen aus Flandern oder Brabant kommen laſſen. Oder ſie mögen auch einige hübſche wohlgewachſene junge Turner nach Brabant ſchicken, daß ſie ſich dort zu guten Schützen ausbilden und auch lernen, wie man die Bogen ſchnitze und die Pfeile mache. Dieſe könnten dann in deutſchen Turn-Anſtalten als Lehrer eintreten, als wandernde Lehrer, die ſich bald bei dieſer Anſtalt eine Zeitlang aufhielten und bald bei einer andern.“
„Ich bin, fuhr Goethe fort, den deutſchen Turn- Uebungen durchaus nicht abgeneigt. Umſomehr hat es mir Leid gethan, daß ſich ſehr bald allerlei Politiſches dabei einſchlich, ſo daß die Behörden ſich genöthigt ſahen, ſie zu beſchränken, oder wohl gar zu verbieten und aufzuheben. Dadurch iſt nun das Kind mit dem Bade verſchüttet. Aber ich hoffe, daß man die Turn- Anſtalten wieder herſtelle, denn unſere deutſche Jugend bedarf es, beſonders die ſtudirende, der bei dem vielen geiſtigen und gelehrten Treiben alles körperliche Gleich¬
III. 7
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Bogenſchützen zu Tauſenden hätten. Ueberhaupt mit einer
erwachſenen Generation iſt nie viel zu machen, in kör¬
perlichen Dingen, wie in geiſtigen, in Dingen des
Geſchmacks, wie des Charakters. Seid aber klug und
fanget in den Schulen an, und es wird gehen.“
Aber unſere deutſchen Turnlehrer, erwiederte ich,
wiſſen mit Pfeil und Bogen nicht umzugehen.
„Nun, antwortete Goethe, da mögen ſich einige
Turn-Anſtalten vereinigen und einen tüchtigen Schützen
aus Flandern oder Brabant kommen laſſen. Oder ſie
mögen auch einige hübſche wohlgewachſene junge Turner
nach Brabant ſchicken, daß ſie ſich dort zu guten Schützen
ausbilden und auch lernen, wie man die Bogen ſchnitze
und die Pfeile mache. Dieſe könnten dann in deutſchen
Turn-Anſtalten als Lehrer eintreten, als wandernde Lehrer,
die ſich bald bei dieſer Anſtalt eine Zeitlang aufhielten
und bald bei einer andern.“
„Ich bin, fuhr Goethe fort, den deutſchen Turn-
Uebungen durchaus nicht abgeneigt. Umſomehr hat es
mir Leid gethan, daß ſich ſehr bald allerlei Politiſches
dabei einſchlich, ſo daß die Behörden ſich genöthigt
ſahen, ſie zu beſchränken, oder wohl gar zu verbieten
und aufzuheben. Dadurch iſt nun das Kind mit dem
Bade verſchüttet. Aber ich hoffe, daß man die Turn-
Anſtalten wieder herſtelle, denn unſere deutſche Jugend
bedarf es, beſonders die ſtudirende, der bei dem vielen
geiſtigen und gelehrten Treiben alles körperliche Gleich¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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