die dem Stück zu Grunde liegen. Das gedruckte Wort ist freilich nur ein matter Widerschein von dem Leben, das in mir bei der Erfindung rege war. Aber der Schauspieler muß uns zu dieser ersten Gluth, die den Dichter seinem Sujet gegenüber beseelte, wieder zurück¬ bringen. Wir wollen von der Meerluft frisch ange¬ wehte, kraftvolle Griechen und Helden sehen, die, von mannigfaltigen Uebeln und Gefahren geängstigt und be¬ drängt, stark herausreden, was ihnen das Herz im Bu¬ sen gebietet. Aber wir wollen keine schwächlich empfin¬ denden Schauspieler, die ihre Rollen nur so obenhin aus¬ wendig gelernt haben; am wenigsten aber solche, die ihre Rollen nicht einmal können."
"Ich muß gestehen, es hat mir noch nie gelingen wollen, eine vollendete Aufführung meiner Iphigenie zu erleben. Das war auch die Ursache, warum ich gestern nicht hineinging. Denn ich leide entsetzlich, wenn ich mich mit diesen Gespenstern herumschlagen muß, die nicht so zur Erscheinung kommen, wie sie sollten."
Mit dem Orest, wie Herr Krüger ihn gab, sagte ich, würden Sie wahrscheinlich zufrieden gewesen seyn. Sein Spiel hatte eine Deutlichkeit, daß nichts begreif¬ licher, nichts faßlicher war, als seine Rolle. Es drang sich Alles ein, und ich werde seine Bewegungen und Worte nicht vergessen.
Dasjenige, was in dieser Rolle der exaltirten An¬ schauung, der Vision, gehört, trat durch seine körper¬
die dem Stück zu Grunde liegen. Das gedruckte Wort iſt freilich nur ein matter Widerſchein von dem Leben, das in mir bei der Erfindung rege war. Aber der Schauſpieler muß uns zu dieſer erſten Gluth, die den Dichter ſeinem Sujet gegenüber beſeelte, wieder zurück¬ bringen. Wir wollen von der Meerluft friſch ange¬ wehte, kraftvolle Griechen und Helden ſehen, die, von mannigfaltigen Uebeln und Gefahren geängſtigt und be¬ drängt, ſtark herausreden, was ihnen das Herz im Bu¬ ſen gebietet. Aber wir wollen keine ſchwächlich empfin¬ denden Schauſpieler, die ihre Rollen nur ſo obenhin aus¬ wendig gelernt haben; am wenigſten aber ſolche, die ihre Rollen nicht einmal können.“
„Ich muß geſtehen, es hat mir noch nie gelingen wollen, eine vollendete Aufführung meiner Iphigenie zu erleben. Das war auch die Urſache, warum ich geſtern nicht hineinging. Denn ich leide entſetzlich, wenn ich mich mit dieſen Geſpenſtern herumſchlagen muß, die nicht ſo zur Erſcheinung kommen, wie ſie ſollten.“
Mit dem Oreſt, wie Herr Krüger ihn gab, ſagte ich, würden Sie wahrſcheinlich zufrieden geweſen ſeyn. Sein Spiel hatte eine Deutlichkeit, daß nichts begreif¬ licher, nichts faßlicher war, als ſeine Rolle. Es drang ſich Alles ein, und ich werde ſeine Bewegungen und Worte nicht vergeſſen.
Dasjenige, was in dieſer Rolle der exaltirten An¬ ſchauung, der Viſion, gehört, trat durch ſeine körper¬
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die dem Stück zu Grunde liegen. Das gedruckte Wort
iſt freilich nur ein matter Widerſchein von dem Leben,
das in mir bei der Erfindung rege war. Aber der
Schauſpieler muß uns zu dieſer erſten Gluth, die den
Dichter ſeinem Sujet gegenüber beſeelte, wieder zurück¬
bringen. Wir wollen von der Meerluft friſch ange¬
wehte, kraftvolle Griechen und Helden ſehen, die, von
mannigfaltigen Uebeln und Gefahren geängſtigt und be¬
drängt, ſtark herausreden, was ihnen das Herz im Bu¬
ſen gebietet. Aber wir wollen keine ſchwächlich empfin¬
denden Schauſpieler, die ihre Rollen nur ſo obenhin aus¬
wendig gelernt haben; am wenigſten aber ſolche, die
ihre Rollen nicht einmal können.“
„Ich muß geſtehen, es hat mir noch nie gelingen
wollen, eine vollendete Aufführung meiner Iphigenie zu
erleben. Das war auch die Urſache, warum ich geſtern
nicht hineinging. Denn ich leide entſetzlich, wenn ich
mich mit dieſen Geſpenſtern herumſchlagen muß, die
nicht ſo zur Erſcheinung kommen, wie ſie ſollten.“
Mit dem Oreſt, wie Herr Krüger ihn gab, ſagte
ich, würden Sie wahrſcheinlich zufrieden geweſen ſeyn.
Sein Spiel hatte eine Deutlichkeit, daß nichts begreif¬
licher, nichts faßlicher war, als ſeine Rolle. Es drang
ſich Alles ein, und ich werde ſeine Bewegungen und
Worte nicht vergeſſen.
Dasjenige, was in dieſer Rolle der exaltirten An¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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