lichen Bewegungen und den veränderten abwechselnden Ton seiner Stimme so aus seinem Innern heraus, daß man es mit leiblichen Augen zu sehen glaubte. Beim Anblick dieses Orest hätte Schiller die Furien sicher nicht vermißt; sie waren hinter ihm her, sie waren um ihn herum.
Die bedeutende Stelle, wo Orest, aus seiner Er¬ mattung erwachend, sich in die Unterwelt versetzt glaubt, gelang zu hohem Erstaunen. Man sah die Reihen der Ahnherren in Gesprächen wandeln, man sah Orest sich ihnen gesellen, sie befragen und sich an sie anschließen. Man fühlte sich selbst versetzt und in die Mitte dieser Seligen mit aufgenommen, so rein und tief war die Empfindung des Künstlers und so groß sein Vermögen, das Unfaßlichste uns vor die Augen zu bringen.
"Ihr seid doch noch Leute, auf die sich wirken läßt! erwiederte Göthe lachend. Aber fahren Sie fort und sagen Sie weiter. Er scheint also wirklich gut gewesen zu seyn und seine körperlichen Mittel von Bedeutung?"
Sein Organ, sagte ich, war rein und wohltönend, auch viel geübt und dadurch der höchsten Biegsamkeit und Mannigfaltigkeit fähig. Physische Kraft und kör¬ perliche Gewandtheit standen ihm sodann bei Aus¬ führung aller Schwierigkeiten zur Seite. Es schien, daß er es sein Lebelang an der mannigfaltigsten körper¬ lichen Ausbildung und Uebung nicht hatte fehlen lassen.
"Ein Schauspieler, sagte Goethe, sollte eigentlich
lichen Bewegungen und den veränderten abwechſelnden Ton ſeiner Stimme ſo aus ſeinem Innern heraus, daß man es mit leiblichen Augen zu ſehen glaubte. Beim Anblick dieſes Oreſt hätte Schiller die Furien ſicher nicht vermißt; ſie waren hinter ihm her, ſie waren um ihn herum.
Die bedeutende Stelle, wo Oreſt, aus ſeiner Er¬ mattung erwachend, ſich in die Unterwelt verſetzt glaubt, gelang zu hohem Erſtaunen. Man ſah die Reihen der Ahnherren in Geſprächen wandeln, man ſah Oreſt ſich ihnen geſellen, ſie befragen und ſich an ſie anſchließen. Man fühlte ſich ſelbſt verſetzt und in die Mitte dieſer Seligen mit aufgenommen, ſo rein und tief war die Empfindung des Künſtlers und ſo groß ſein Vermögen, das Unfaßlichſte uns vor die Augen zu bringen.
„Ihr ſeid doch noch Leute, auf die ſich wirken läßt! erwiederte Göthe lachend. Aber fahren Sie fort und ſagen Sie weiter. Er ſcheint alſo wirklich gut geweſen zu ſeyn und ſeine körperlichen Mittel von Bedeutung?“
Sein Organ, ſagte ich, war rein und wohltönend, auch viel geübt und dadurch der höchſten Biegſamkeit und Mannigfaltigkeit fähig. Phyſiſche Kraft und kör¬ perliche Gewandtheit ſtanden ihm ſodann bei Aus¬ führung aller Schwierigkeiten zur Seite. Es ſchien, daß er es ſein Lebelang an der mannigfaltigſten körper¬ lichen Ausbildung und Uebung nicht hatte fehlen laſſen.
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lichen Bewegungen und den veränderten abwechſelnden
Ton ſeiner Stimme ſo aus ſeinem Innern heraus, daß
man es mit leiblichen Augen zu ſehen glaubte. Beim
Anblick dieſes Oreſt hätte Schiller die Furien ſicher
nicht vermißt; ſie waren hinter ihm her, ſie waren um
ihn herum.
Die bedeutende Stelle, wo Oreſt, aus ſeiner Er¬
mattung erwachend, ſich in die Unterwelt verſetzt glaubt,
gelang zu hohem Erſtaunen. Man ſah die Reihen der
Ahnherren in Geſprächen wandeln, man ſah Oreſt ſich
ihnen geſellen, ſie befragen und ſich an ſie anſchließen.
Man fühlte ſich ſelbſt verſetzt und in die Mitte dieſer
Seligen mit aufgenommen, ſo rein und tief war die
Empfindung des Künſtlers und ſo groß ſein Vermögen,
das Unfaßlichſte uns vor die Augen zu bringen.
„Ihr ſeid doch noch Leute, auf die ſich wirken läßt!
erwiederte Göthe lachend. Aber fahren Sie fort und
ſagen Sie weiter. Er ſcheint alſo wirklich gut geweſen
zu ſeyn und ſeine körperlichen Mittel von Bedeutung?“
Sein Organ, ſagte ich, war rein und wohltönend,
auch viel geübt und dadurch der höchſten Biegſamkeit
und Mannigfaltigkeit fähig. Phyſiſche Kraft und kör¬
perliche Gewandtheit ſtanden ihm ſodann bei Aus¬
führung aller Schwierigkeiten zur Seite. Es ſchien,
daß er es ſein Lebelang an der mannigfaltigſten körper¬
lichen Ausbildung und Uebung nicht hatte fehlen laſſen.
„Ein Schauſpieler, ſagte Goethe, ſollte eigentlich
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/161>, abgerufen am 25.11.2024.
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