tigem steinigten Erdreich, so wird sie zwar im Ueber¬ maß zackig und knorrig erscheinen, allein es wird ihr an freier Entwickelung fehlen, sie wird in ihrem Wuchs frühzeitig kümmern und stocken, und sie wird nie errei¬ chen, daß man von ihr sage: es walte in ihr etwas, das fähig sey, uns in Erstaunen zu setzen."
Ich freute mich dieser guten Worte. Sehr schöne Eichen, sagte ich, habe ich gesehen, als ich vor einigen Jahren von Göttingen aus mitunter kleine Touren ins Weserthal machte. Besonders mächtig fand ich sie im Solling in der Gegend von Höxter.
"Ein sandiger oder mit Sand gemischter Boden, fuhr Goethe fort, wo ihr nach allen Richtungen hin mächtige Wurzeln zu treiben vergönnt ist, scheint ihr am günstigsten zu seyn. Und dann will sie einen Stand, der ihr gehörigen Raum gewährt, alle Einwir¬ kungen von Licht und Sonne und Regen und Wind von allen Seiten her in sich aufzunehmen. Im behag¬ lichen Schutz vor Wind und Wetter herangewachsen, wird aus ihr nichts; aber ein hundertjähriger Kampf mit den Elementen macht sie stark und mächtig, so daß nach vollendetem Wuchs ihre Gegenwart uns Erstaunen und Bewunderung einflößt."
Könnte man nicht aus diesen Ihren Andeutungen, versetzte ich, ein Resultat ziehen und sagen: ein Ge¬ schöpf sey dann schön, wenn es zu dem Gipfel seiner natürlichen Entwickelung gelangt sey?
tigem ſteinigten Erdreich, ſo wird ſie zwar im Ueber¬ maß zackig und knorrig erſcheinen, allein es wird ihr an freier Entwickelung fehlen, ſie wird in ihrem Wuchs frühzeitig kümmern und ſtocken, und ſie wird nie errei¬ chen, daß man von ihr ſage: es walte in ihr etwas, das fähig ſey, uns in Erſtaunen zu ſetzen.“
Ich freute mich dieſer guten Worte. Sehr ſchöne Eichen, ſagte ich, habe ich geſehen, als ich vor einigen Jahren von Göttingen aus mitunter kleine Touren ins Weſerthal machte. Beſonders mächtig fand ich ſie im Solling in der Gegend von Höxter.
„Ein ſandiger oder mit Sand gemiſchter Boden, fuhr Goethe fort, wo ihr nach allen Richtungen hin mächtige Wurzeln zu treiben vergönnt iſt, ſcheint ihr am günſtigſten zu ſeyn. Und dann will ſie einen Stand, der ihr gehörigen Raum gewährt, alle Einwir¬ kungen von Licht und Sonne und Regen und Wind von allen Seiten her in ſich aufzunehmen. Im behag¬ lichen Schutz vor Wind und Wetter herangewachſen, wird aus ihr nichts; aber ein hundertjähriger Kampf mit den Elementen macht ſie ſtark und mächtig, ſo daß nach vollendetem Wuchs ihre Gegenwart uns Erſtaunen und Bewunderung einflößt.“
Könnte man nicht aus dieſen Ihren Andeutungen, verſetzte ich, ein Reſultat ziehen und ſagen: ein Ge¬ ſchöpf ſey dann ſchön, wenn es zu dem Gipfel ſeiner natürlichen Entwickelung gelangt ſey?
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tigem ſteinigten Erdreich, ſo wird ſie zwar im Ueber¬
maß zackig und knorrig erſcheinen, allein es wird ihr
an freier Entwickelung fehlen, ſie wird in ihrem Wuchs
frühzeitig kümmern und ſtocken, und ſie wird nie errei¬
chen, daß man von ihr ſage: es walte in ihr etwas,
das fähig ſey, uns in Erſtaunen zu ſetzen.“
Ich freute mich dieſer guten Worte. Sehr ſchöne
Eichen, ſagte ich, habe ich geſehen, als ich vor einigen
Jahren von Göttingen aus mitunter kleine Touren ins
Weſerthal machte. Beſonders mächtig fand ich ſie im
Solling in der Gegend von Höxter.
„Ein ſandiger oder mit Sand gemiſchter Boden,
fuhr Goethe fort, wo ihr nach allen Richtungen hin
mächtige Wurzeln zu treiben vergönnt iſt, ſcheint ihr
am günſtigſten zu ſeyn. Und dann will ſie einen
Stand, der ihr gehörigen Raum gewährt, alle Einwir¬
kungen von Licht und Sonne und Regen und Wind
von allen Seiten her in ſich aufzunehmen. Im behag¬
lichen Schutz vor Wind und Wetter herangewachſen,
wird aus ihr nichts; aber ein hundertjähriger Kampf
mit den Elementen macht ſie ſtark und mächtig, ſo daß
nach vollendetem Wuchs ihre Gegenwart uns Erſtaunen
und Bewunderung einflößt.“
Könnte man nicht aus dieſen Ihren Andeutungen,
verſetzte ich, ein Reſultat ziehen und ſagen: ein Ge¬
ſchöpf ſey dann ſchön, wenn es zu dem Gipfel ſeiner
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/170>, abgerufen am 25.11.2024.
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