daß sie geringer und weniger volksthümlich wären, als die des vortrefflichen Burns! Allein, was ist davon lebendig geworden, so daß es uns aus dem Volke wie¬ der entgegenklänge? -- Sie sind geschrieben und ge¬ druckt worden und stehen in Bibliotheken, ganz gemäß dem allgemeinen Loose deutscher Dichter. -- Von mei¬ nen eigenen Liedern, was lebt denn? Es wird wohl eins und das andere einmal von einem hübschen Mäd¬ chen am Klaviere gesungen, allein im eigentlichen Volke ist Alles stille. Mit welchen Empfindungen muß ich der Zeit gedenken, wo italienische Fischer mir Stellen des Tasso sangen!" --
"Wir Deutschen sind von gestern. Wir haben zwar seit einem Jahrhundert ganz tüchtig cultivirt; allein es können noch ein paar Jahrhunderte hingehen, ehe bei unseren Landsleuten so viel Geist und höhere Cultur eindringe und allgemein werde, daß sie gleich den Grie¬ chen der Schönheit huldigen, daß sie sich für ein hüb¬ sches Lied begeistern, und daß man von ihnen wird sagen können, es sey lange her, daß sie Barbaren ge¬ wesen."
Freitag, den 4. Mai 1827.
Zu Ehren Ampere's und seines Freundes Stapfer großes Diner bei Goethe. Die Unterhaltung war laut, heiter und bunt durcheinander. Ampere erzählte Goe¬ then viel von Merimee, Alfred de Vigny und anderen
daß ſie geringer und weniger volksthümlich wären, als die des vortrefflichen Burns! Allein, was iſt davon lebendig geworden, ſo daß es uns aus dem Volke wie¬ der entgegenklänge? — Sie ſind geſchrieben und ge¬ druckt worden und ſtehen in Bibliotheken, ganz gemäß dem allgemeinen Looſe deutſcher Dichter. — Von mei¬ nen eigenen Liedern, was lebt denn? Es wird wohl eins und das andere einmal von einem hübſchen Mäd¬ chen am Klaviere geſungen, allein im eigentlichen Volke iſt Alles ſtille. Mit welchen Empfindungen muß ich der Zeit gedenken, wo italieniſche Fiſcher mir Stellen des Taſſo ſangen!“ —
„Wir Deutſchen ſind von geſtern. Wir haben zwar ſeit einem Jahrhundert ganz tüchtig cultivirt; allein es können noch ein paar Jahrhunderte hingehen, ehe bei unſeren Landsleuten ſo viel Geiſt und höhere Cultur eindringe und allgemein werde, daß ſie gleich den Grie¬ chen der Schönheit huldigen, daß ſie ſich für ein hüb¬ ſches Lied begeiſtern, und daß man von ihnen wird ſagen können, es ſey lange her, daß ſie Barbaren ge¬ weſen.“
Freitag, den 4. Mai 1827.
Zu Ehren Ampère's und ſeines Freundes Stapfer großes Diner bei Goethe. Die Unterhaltung war laut, heiter und bunt durcheinander. Ampère erzählte Goe¬ then viel von Mérimée, Alfred de Vigny und anderen
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daß ſie geringer und weniger volksthümlich wären, als
die des vortrefflichen Burns! Allein, was iſt davon
lebendig geworden, ſo daß es uns aus dem Volke wie¬
der entgegenklänge? — Sie ſind geſchrieben und ge¬
druckt worden und ſtehen in Bibliotheken, ganz gemäß
dem allgemeinen Looſe deutſcher Dichter. — Von mei¬
nen eigenen Liedern, was lebt denn? Es wird wohl
eins und das andere einmal von einem hübſchen Mäd¬
chen am Klaviere geſungen, allein im eigentlichen Volke
iſt Alles ſtille. Mit welchen Empfindungen muß ich
der Zeit gedenken, wo italieniſche Fiſcher mir Stellen
des Taſſo ſangen!“ —
„Wir Deutſchen ſind von geſtern. Wir haben zwar
ſeit einem Jahrhundert ganz tüchtig cultivirt; allein es
können noch ein paar Jahrhunderte hingehen, ehe bei
unſeren Landsleuten ſo viel Geiſt und höhere Cultur
eindringe und allgemein werde, daß ſie gleich den Grie¬
chen der Schönheit huldigen, daß ſie ſich für ein hüb¬
ſches Lied begeiſtern, und daß man von ihnen wird
ſagen können, es ſey lange her, daß ſie Barbaren ge¬
weſen.“
Freitag, den 4. Mai 1827.
Zu Ehren Ampère's und ſeines Freundes Stapfer
großes Diner bei Goethe. Die Unterhaltung war laut,
heiter und bunt durcheinander. Ampère erzählte Goe¬
then viel von Mérimée, Alfred de Vigny und anderen
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/188>, abgerufen am 24.11.2024.
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