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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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gedeuteten Herbst- und Wintertage zu seltenen
Ausnahmen gehörten.

Seine Selbstbeherrschung war groß, ja sie
bildete eine hervorragende Eigenthümlichkeit seines
Wesens. Sie war eine Schwester jener hohen
Besonnenheit, wodurch es ihm gelang, immer
Herr seines Stoffes zu seyn, und seinen einzelnen
Werken diejenige Kunstvollendung zu geben, die
wir an ihnen bewundern. Durch eben jene Ei¬
genschaft aber ward er, so wie in manchen sei¬
ner Schriften, so auch in manchen mündlichen
Aeußerungen, oft gebunden und voller Rück¬
sicht. Sobald aber in glücklichen Momenten
ein mächtigerer Dämon in ihm rege wurde, und
jene Selbstbeherrschung ihn verließ, dann ward
sein Gespräch jugendlich dahinbrausend, gleich
einem aus der Höhe herabkommenden Bergstrome.
In solchen Augenblicken sagte er das Größte und
Beste, was in seiner reichen Natur lag, und von
solchen Augenblicken ist es wohl zu verstehen,
wenn seine früheren Freunde über ihn geäußert,
daß sein gesprochenes Wort besser sey, als
sein geschriebenes und gedrucktes. So sagte Mar¬

gedeuteten Herbſt- und Wintertage zu ſeltenen
Ausnahmen gehörten.

Seine Selbſtbeherrſchung war groß, ja ſie
bildete eine hervorragende Eigenthümlichkeit ſeines
Weſens. Sie war eine Schweſter jener hohen
Beſonnenheit, wodurch es ihm gelang, immer
Herr ſeines Stoffes zu ſeyn, und ſeinen einzelnen
Werken diejenige Kunſtvollendung zu geben, die
wir an ihnen bewundern. Durch eben jene Ei¬
genſchaft aber ward er, ſo wie in manchen ſei¬
ner Schriften, ſo auch in manchen mündlichen
Aeußerungen, oft gebunden und voller Rück¬
ſicht. Sobald aber in glücklichen Momenten
ein mächtigerer Dämon in ihm rege wurde, und
jene Selbſtbeherrſchung ihn verließ, dann ward
ſein Geſpräch jugendlich dahinbrauſend, gleich
einem aus der Höhe herabkommenden Bergſtrome.
In ſolchen Augenblicken ſagte er das Größte und
Beſte, was in ſeiner reichen Natur lag, und von
ſolchen Augenblicken iſt es wohl zu verſtehen,
wenn ſeine früheren Freunde über ihn geäußert,
daß ſein geſprochenes Wort beſſer ſey, als
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[XIII/0019] gedeuteten Herbſt- und Wintertage zu ſeltenen Ausnahmen gehörten. Seine Selbſtbeherrſchung war groß, ja ſie bildete eine hervorragende Eigenthümlichkeit ſeines Weſens. Sie war eine Schweſter jener hohen Beſonnenheit, wodurch es ihm gelang, immer Herr ſeines Stoffes zu ſeyn, und ſeinen einzelnen Werken diejenige Kunſtvollendung zu geben, die wir an ihnen bewundern. Durch eben jene Ei¬ genſchaft aber ward er, ſo wie in manchen ſei¬ ner Schriften, ſo auch in manchen mündlichen Aeußerungen, oft gebunden und voller Rück¬ ſicht. Sobald aber in glücklichen Momenten ein mächtigerer Dämon in ihm rege wurde, und jene Selbſtbeherrſchung ihn verließ, dann ward ſein Geſpräch jugendlich dahinbrauſend, gleich einem aus der Höhe herabkommenden Bergſtrome. In ſolchen Augenblicken ſagte er das Größte und Beſte, was in ſeiner reichen Natur lag, und von ſolchen Augenblicken iſt es wohl zu verſtehen, wenn ſeine früheren Freunde über ihn geäußert, daß ſein geſprochenes Wort beſſer ſey, als ſein geſchriebenes und gedrucktes. So ſagte Mar¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/19>, abgerufen am 23.11.2024.