daß es nicht genug sey, die Schönheit eines genialen Werkes zu fühlen, sondern daß man auch die Sprache, worin es geschrieben, aus dem Grunde verstehen müsse, ehe es uns gelingen könne, solche Schönheit auch An¬ deren fühlbar zu machen. Dennoch lege ich auf jenen jugendlichen Versuch noch jetzt einigen Werth, weil er doch wenigstens zeigt, daß ich einen Gegenstand zu wählen wußte, der der Bewunderung würdig war."
"Ich habe oft von Ihnen gehört, und zwar durch meinen Schwiegersohn Lockart, einen jungen Mann von literarischer Bedeutung, der vor einigen Jahren, ehe er meiner Familie verbunden war, die Ehre hatte dem Vater der deutschen Literatur vorgestellt zu werden. Es ist unmöglich, daß Sie unter der großen Zahl derer, die sich gedrängt fühlen Ihnen ihre Ehrfurcht zu bezeigen, sich jedes Einzelnen erinnern sollten; aber ich glaube, es ist Ihnen Niemand inniger ergeben, als eben jenes junge Mitglied meiner Familie."
"Mein Freund Sir John Hope von Pinkie hat kürzlich die Ehre gehabt Sie zu sehen, und ich hoffte Ihnen zu schreiben, und nahm auch später mir wirklich diese Freiheit durch zwei seiner Verwandten, die Deutsch¬ land zu bereisen die Absicht hatten; allein sie wurden durch Krankheit behindert ihr Vorhaben auszuführen, so daß mir denn mein Brief nach zwei bis drei Mo¬ naten zurückkam. Ich habe also Goethe's Bekanntschaft schon früher zu suchen mich erdreistet, und zwar noch
daß es nicht genug ſey, die Schönheit eines genialen Werkes zu fühlen, ſondern daß man auch die Sprache, worin es geſchrieben, aus dem Grunde verſtehen müſſe, ehe es uns gelingen könne, ſolche Schönheit auch An¬ deren fühlbar zu machen. Dennoch lege ich auf jenen jugendlichen Verſuch noch jetzt einigen Werth, weil er doch wenigſtens zeigt, daß ich einen Gegenſtand zu wählen wußte, der der Bewunderung würdig war.“
„Ich habe oft von Ihnen gehört, und zwar durch meinen Schwiegerſohn Lockart, einen jungen Mann von literariſcher Bedeutung, der vor einigen Jahren, ehe er meiner Familie verbunden war, die Ehre hatte dem Vater der deutſchen Literatur vorgeſtellt zu werden. Es iſt unmöglich, daß Sie unter der großen Zahl derer, die ſich gedrängt fühlen Ihnen ihre Ehrfurcht zu bezeigen, ſich jedes Einzelnen erinnern ſollten; aber ich glaube, es iſt Ihnen Niemand inniger ergeben, als eben jenes junge Mitglied meiner Familie.“
„Mein Freund Sir John Hope von Pinkie hat kürzlich die Ehre gehabt Sie zu ſehen, und ich hoffte Ihnen zu ſchreiben, und nahm auch ſpäter mir wirklich dieſe Freiheit durch zwei ſeiner Verwandten, die Deutſch¬ land zu bereiſen die Abſicht hatten; allein ſie wurden durch Krankheit behindert ihr Vorhaben auszuführen, ſo daß mir denn mein Brief nach zwei bis drei Mo¬ naten zurückkam. Ich habe alſo Goethe's Bekanntſchaft ſchon früher zu ſuchen mich erdreiſtet, und zwar noch
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0197"n="175"/>
daß es nicht genug ſey, die Schönheit eines genialen<lb/>
Werkes zu fühlen, ſondern daß man auch die Sprache,<lb/>
worin es geſchrieben, aus dem Grunde verſtehen müſſe,<lb/>
ehe es uns gelingen könne, ſolche Schönheit auch An¬<lb/>
deren fühlbar zu machen. Dennoch lege ich auf jenen<lb/>
jugendlichen Verſuch noch jetzt einigen Werth, weil er<lb/>
doch wenigſtens zeigt, daß ich einen Gegenſtand zu<lb/>
wählen wußte, der der Bewunderung würdig war.“</p><lb/><p>„Ich habe oft von Ihnen gehört, und zwar durch<lb/>
meinen Schwiegerſohn <hirendition="#g">Lockart</hi>, einen jungen Mann<lb/>
von literariſcher Bedeutung, der vor einigen Jahren,<lb/>
ehe er meiner Familie verbunden war, die Ehre hatte<lb/>
dem Vater der deutſchen Literatur vorgeſtellt zu werden.<lb/>
Es iſt unmöglich, daß Sie unter der großen Zahl<lb/>
derer, die ſich gedrängt fühlen Ihnen ihre Ehrfurcht<lb/>
zu bezeigen, ſich jedes Einzelnen erinnern ſollten; aber<lb/>
ich glaube, es iſt Ihnen Niemand inniger ergeben, als<lb/>
eben jenes junge Mitglied meiner Familie.“</p><lb/><p>„Mein Freund Sir John Hope von Pinkie hat<lb/>
kürzlich die Ehre gehabt Sie zu ſehen, und ich hoffte<lb/>
Ihnen zu ſchreiben, und nahm auch ſpäter mir wirklich<lb/>
dieſe Freiheit durch zwei ſeiner Verwandten, die Deutſch¬<lb/>
land zu bereiſen die Abſicht hatten; allein ſie wurden<lb/>
durch Krankheit behindert ihr Vorhaben auszuführen,<lb/>ſo daß mir denn mein Brief nach zwei bis drei Mo¬<lb/>
naten zurückkam. Ich habe alſo Goethe's Bekanntſchaft<lb/>ſchon früher zu ſuchen mich erdreiſtet, und zwar noch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0197]
daß es nicht genug ſey, die Schönheit eines genialen
Werkes zu fühlen, ſondern daß man auch die Sprache,
worin es geſchrieben, aus dem Grunde verſtehen müſſe,
ehe es uns gelingen könne, ſolche Schönheit auch An¬
deren fühlbar zu machen. Dennoch lege ich auf jenen
jugendlichen Verſuch noch jetzt einigen Werth, weil er
doch wenigſtens zeigt, daß ich einen Gegenſtand zu
wählen wußte, der der Bewunderung würdig war.“
„Ich habe oft von Ihnen gehört, und zwar durch
meinen Schwiegerſohn Lockart, einen jungen Mann
von literariſcher Bedeutung, der vor einigen Jahren,
ehe er meiner Familie verbunden war, die Ehre hatte
dem Vater der deutſchen Literatur vorgeſtellt zu werden.
Es iſt unmöglich, daß Sie unter der großen Zahl
derer, die ſich gedrängt fühlen Ihnen ihre Ehrfurcht
zu bezeigen, ſich jedes Einzelnen erinnern ſollten; aber
ich glaube, es iſt Ihnen Niemand inniger ergeben, als
eben jenes junge Mitglied meiner Familie.“
„Mein Freund Sir John Hope von Pinkie hat
kürzlich die Ehre gehabt Sie zu ſehen, und ich hoffte
Ihnen zu ſchreiben, und nahm auch ſpäter mir wirklich
dieſe Freiheit durch zwei ſeiner Verwandten, die Deutſch¬
land zu bereiſen die Abſicht hatten; allein ſie wurden
durch Krankheit behindert ihr Vorhaben auszuführen,
ſo daß mir denn mein Brief nach zwei bis drei Mo¬
naten zurückkam. Ich habe alſo Goethe's Bekanntſchaft
ſchon früher zu ſuchen mich erdreiſtet, und zwar noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/197>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.