Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm noch Stunden lang zuhören mögen. Allein er
schien nach und nach müde zu werden, und so gingen
wir denn in unserm Alkoven sehr bald zu Bette.


Wir standen frühzeitig auf. Während dem Anklei¬
den erzählte Goethe mir einen Traum der vorigen
Nacht, wo er sich nach Göttingen versetzt gesehen und
mit dortigen Professoren seiner Bekanntschaft allerlei
gute Unterhaltung gehabt.

Wir tranken einige Tassen Kaffee und fuhren sodann
an dem Gebäude vor, welches die naturwissenschaftlichen
Sammlungen enthält. Wir besahen das anatomische
Cabinet, allerlei Skelette von Thieren und Urthieren,
auch Skelette von Menschen früherer Jahrhunderte, bei
welchen Goethe die Bemerkung machte, daß ihre Zähne
eine sehr moralische Race andeuteten.

Er ließ darauf nach der Sternwarte fahren, wo
Herr Doctor Schrön uns die bedeutendsten Instrumente
vorzeigte und erklärte. Auch das anstoßende meteoro¬
logische Cabinet ward mit besonderem Interesse betrach¬
tet, und Goethe lobte Herrn Doctor Schrön wegen der
in allen diesen Dingen herrschenden großen Ordnung.

Wir gingen sodann in den Garten hinab, wo
Goethe auf einem Steintisch in einer Laube ein kleines
Frühstück hatte arrangiren lassen. "Sie wissen wohl
kaum, sagte er, an welcher merkwürdigen Stelle

ihm noch Stunden lang zuhören mögen. Allein er
ſchien nach und nach müde zu werden, und ſo gingen
wir denn in unſerm Alkoven ſehr bald zu Bette.


Wir ſtanden frühzeitig auf. Während dem Anklei¬
den erzählte Goethe mir einen Traum der vorigen
Nacht, wo er ſich nach Göttingen verſetzt geſehen und
mit dortigen Profeſſoren ſeiner Bekanntſchaft allerlei
gute Unterhaltung gehabt.

Wir tranken einige Taſſen Kaffee und fuhren ſodann
an dem Gebäude vor, welches die naturwiſſenſchaftlichen
Sammlungen enthält. Wir beſahen das anatomiſche
Cabinet, allerlei Skelette von Thieren und Urthieren,
auch Skelette von Menſchen früherer Jahrhunderte, bei
welchen Goethe die Bemerkung machte, daß ihre Zähne
eine ſehr moraliſche Race andeuteten.

Er ließ darauf nach der Sternwarte fahren, wo
Herr Doctor Schrön uns die bedeutendſten Inſtrumente
vorzeigte und erklärte. Auch das anſtoßende meteoro¬
logiſche Cabinet ward mit beſonderem Intereſſe betrach¬
tet, und Goethe lobte Herrn Doctor Schrön wegen der
in allen dieſen Dingen herrſchenden großen Ordnung.

Wir gingen ſodann in den Garten hinab, wo
Goethe auf einem Steintiſch in einer Laube ein kleines
Frühſtück hatte arrangiren laſſen. „Sie wiſſen wohl
kaum, ſagte er, an welcher merkwürdigen Stelle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0227" n="205"/>
ihm noch Stunden lang zuhören mögen. Allein er<lb/>
&#x017F;chien nach und nach müde zu werden, und &#x017F;o gingen<lb/>
wir denn in un&#x017F;erm Alkoven &#x017F;ehr bald zu Bette.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Jena, Montag, den 8. October 1827.<lb/></dateline>
          <p>Wir &#x017F;tanden frühzeitig auf. Während dem Anklei¬<lb/>
den erzählte Goethe mir einen Traum der vorigen<lb/>
Nacht, wo er &#x017F;ich nach Göttingen ver&#x017F;etzt ge&#x017F;ehen und<lb/>
mit dortigen Profe&#x017F;&#x017F;oren &#x017F;einer Bekannt&#x017F;chaft allerlei<lb/>
gute Unterhaltung gehabt.</p><lb/>
          <p>Wir tranken einige Ta&#x017F;&#x017F;en Kaffee und fuhren &#x017F;odann<lb/>
an dem Gebäude vor, welches die naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen<lb/>
Sammlungen enthält. Wir be&#x017F;ahen das anatomi&#x017F;che<lb/>
Cabinet, allerlei Skelette von Thieren und Urthieren,<lb/>
auch Skelette von Men&#x017F;chen früherer Jahrhunderte, bei<lb/>
welchen Goethe die Bemerkung machte, daß ihre Zähne<lb/>
eine &#x017F;ehr morali&#x017F;che Race andeuteten.</p><lb/>
          <p>Er ließ darauf nach der Sternwarte fahren, wo<lb/>
Herr Doctor <hi rendition="#g">Schrön</hi> uns die bedeutend&#x017F;ten In&#x017F;trumente<lb/>
vorzeigte und erklärte. Auch das an&#x017F;toßende meteoro¬<lb/>
logi&#x017F;che Cabinet ward mit be&#x017F;onderem Intere&#x017F;&#x017F;e betrach¬<lb/>
tet, und Goethe lobte Herrn Doctor Schrön wegen der<lb/>
in allen die&#x017F;en Dingen herr&#x017F;chenden großen Ordnung.</p><lb/>
          <p>Wir gingen &#x017F;odann in den Garten hinab, wo<lb/>
Goethe auf einem Steinti&#x017F;ch in einer Laube ein kleines<lb/>
Früh&#x017F;tück hatte arrangiren la&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Sie wi&#x017F;&#x017F;en wohl<lb/>
kaum, &#x017F;agte er, an welcher merkwürdigen Stelle<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0227] ihm noch Stunden lang zuhören mögen. Allein er ſchien nach und nach müde zu werden, und ſo gingen wir denn in unſerm Alkoven ſehr bald zu Bette. Jena, Montag, den 8. October 1827. Wir ſtanden frühzeitig auf. Während dem Anklei¬ den erzählte Goethe mir einen Traum der vorigen Nacht, wo er ſich nach Göttingen verſetzt geſehen und mit dortigen Profeſſoren ſeiner Bekanntſchaft allerlei gute Unterhaltung gehabt. Wir tranken einige Taſſen Kaffee und fuhren ſodann an dem Gebäude vor, welches die naturwiſſenſchaftlichen Sammlungen enthält. Wir beſahen das anatomiſche Cabinet, allerlei Skelette von Thieren und Urthieren, auch Skelette von Menſchen früherer Jahrhunderte, bei welchen Goethe die Bemerkung machte, daß ihre Zähne eine ſehr moraliſche Race andeuteten. Er ließ darauf nach der Sternwarte fahren, wo Herr Doctor Schrön uns die bedeutendſten Inſtrumente vorzeigte und erklärte. Auch das anſtoßende meteoro¬ logiſche Cabinet ward mit beſonderem Intereſſe betrach¬ tet, und Goethe lobte Herrn Doctor Schrön wegen der in allen dieſen Dingen herrſchenden großen Ordnung. Wir gingen ſodann in den Garten hinab, wo Goethe auf einem Steintiſch in einer Laube ein kleines Frühſtück hatte arrangiren laſſen. „Sie wiſſen wohl kaum, ſagte er, an welcher merkwürdigen Stelle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/227
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/227>, abgerufen am 21.11.2024.