wir uns eigentlich befinden. Hier hat Schiller gewohnt. In dieser Laube, auf diesen jetzt fast zusammengebro¬ chenen Bänken haben wir oft an diesem alten Stein¬ tisch gesessen und manches gute und große Wort mit¬ einander gewechselt. Er war damals noch in den drei¬ ßigen, ich selber noch in den vierzigen, Beide noch in vollstem Aufstreben, und es war etwas. Das geht Alles hin und vorüber; ich bin auch nicht mehr, der ich gewesen, aber die alte Erde hält Stich, und Luft und Wasser und Boden sind noch immer dieselbigen."
"Gehen Sie doch nachher einmal mit Schrön hin¬ auf und lassen sich von ihm in der Mansarde die Zim¬ mer zeigen, die Schiller bewohnt hat."
Wir ließen uns indeß in dieser anmuthigen Luft und an diesem guten Orte das Frühstück sehr wohl schmecken. Schiller war dabei wenigstens in unserem Geiste gegenwärtig und Goethe widmete ihm noch man¬ ches gute Wort eines liebevollen Andenkens.
Ich ging darauf mit Schrön in die Mansarde und genoß aus Schiller's Fenstern die herrlichste Aussicht. Die Richtung war ganz nach Süden, so daß man Stunden weit den schönen Strom, durch Gebüsch und Krümmungen unterbrochen, heranfließen sah. Auch hatte man einen weiten Horizont. Der Aufgang und Untergang der Planeten war von hieraus herrlich zu beobachten, und man mußte sich sagen, daß dieß Local
wir uns eigentlich befinden. Hier hat Schiller gewohnt. In dieſer Laube, auf dieſen jetzt faſt zuſammengebro¬ chenen Bänken haben wir oft an dieſem alten Stein¬ tiſch geſeſſen und manches gute und große Wort mit¬ einander gewechſelt. Er war damals noch in den drei¬ ßigen, ich ſelber noch in den vierzigen, Beide noch in vollſtem Aufſtreben, und es war etwas. Das geht Alles hin und vorüber; ich bin auch nicht mehr, der ich geweſen, aber die alte Erde hält Stich, und Luft und Waſſer und Boden ſind noch immer dieſelbigen.“
„Gehen Sie doch nachher einmal mit Schrön hin¬ auf und laſſen ſich von ihm in der Manſarde die Zim¬ mer zeigen, die Schiller bewohnt hat.“
Wir ließen uns indeß in dieſer anmuthigen Luft und an dieſem guten Orte das Frühſtück ſehr wohl ſchmecken. Schiller war dabei wenigſtens in unſerem Geiſte gegenwärtig und Goethe widmete ihm noch man¬ ches gute Wort eines liebevollen Andenkens.
Ich ging darauf mit Schrön in die Manſarde und genoß aus Schiller's Fenſtern die herrlichſte Ausſicht. Die Richtung war ganz nach Süden, ſo daß man Stunden weit den ſchönen Strom, durch Gebüſch und Krümmungen unterbrochen, heranfließen ſah. Auch hatte man einen weiten Horizont. Der Aufgang und Untergang der Planeten war von hieraus herrlich zu beobachten, und man mußte ſich ſagen, daß dieß Local
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[206/0228]
wir uns eigentlich befinden. Hier hat Schiller gewohnt.
In dieſer Laube, auf dieſen jetzt faſt zuſammengebro¬
chenen Bänken haben wir oft an dieſem alten Stein¬
tiſch geſeſſen und manches gute und große Wort mit¬
einander gewechſelt. Er war damals noch in den drei¬
ßigen, ich ſelber noch in den vierzigen, Beide noch in
vollſtem Aufſtreben, und es war etwas. Das geht
Alles hin und vorüber; ich bin auch nicht mehr, der
ich geweſen, aber die alte Erde hält Stich, und Luft
und Waſſer und Boden ſind noch immer dieſelbigen.“
„Gehen Sie doch nachher einmal mit Schrön hin¬
auf und laſſen ſich von ihm in der Manſarde die Zim¬
mer zeigen, die Schiller bewohnt hat.“
Wir ließen uns indeß in dieſer anmuthigen Luft
und an dieſem guten Orte das Frühſtück ſehr wohl
ſchmecken. Schiller war dabei wenigſtens in unſerem
Geiſte gegenwärtig und Goethe widmete ihm noch man¬
ches gute Wort eines liebevollen Andenkens.
Ich ging darauf mit Schrön in die Manſarde und
genoß aus Schiller's Fenſtern die herrlichſte Ausſicht.
Die Richtung war ganz nach Süden, ſo daß man
Stunden weit den ſchönen Strom, durch Gebüſch und
Krümmungen unterbrochen, heranfließen ſah. Auch
hatte man einen weiten Horizont. Der Aufgang und
Untergang der Planeten war von hieraus herrlich zu
beobachten, und man mußte ſich ſagen, daß dieß Local
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/228>, abgerufen am 21.11.2024.
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