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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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befunden, weßhalb auch sein Geschick ein so glänzendes
war, wie es die Welt vor ihm nicht sah und vielleicht
auch nach ihm nicht sehen wird."

"Ja, ja, mein Guter, das war ein Kerl, dem wir
es freilich nicht nachmachen können!"

Goethe schritt im Zimmer auf und ab. Ich hatte
mich an den Tisch gesetzt, der zwar bereits abgeräumt
war, aber auf dem sich noch einige Reste Wein befanden,
nebst einigem Biscuit und Früchten.

Goethe schenkte mir ein und nöthigte mich, von bei¬
den etwas zu genießen. "Sie haben zwar verschmäht,
sagte er, diesen Mittag unser Gast zu seyn, doch dürfte
ein Glas von diesem Geschenk lieber Freunde Ihnen
ganz wohl thun!"

Ich ließ mir so gute Dinge gefallen, während Goethe
fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen und aufge¬
regten Geistes vor sich hinzubrummen und von Zeit zu
Zeit unverständliche Worte herauszustoßen.

Das, was er soeben über Napoleon gesagt, lag
mir im Sinn, und ich suchte das Gespräch auf jenen
Gegenstand zurückzuführen.

Doch scheint es mir, begann ich, daß Napoleon sich
besonders in dem Zustande jener fortwährenden Er¬
leuchtung befunden, als er noch jung und in aufsteigen¬
der Kraft war, wo wir denn auch einen göttlichen
Schutz und ein beständiges Glück ihm zur Seite sehen.
In späteren Jahren dagegen scheint ihn jene Erleuch¬

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befunden, weßhalb auch ſein Geſchick ein ſo glänzendes
war, wie es die Welt vor ihm nicht ſah und vielleicht
auch nach ihm nicht ſehen wird.“

„Ja, ja, mein Guter, das war ein Kerl, dem wir
es freilich nicht nachmachen können!“

Goethe ſchritt im Zimmer auf und ab. Ich hatte
mich an den Tiſch geſetzt, der zwar bereits abgeräumt
war, aber auf dem ſich noch einige Reſte Wein befanden,
nebſt einigem Biscuit und Früchten.

Goethe ſchenkte mir ein und nöthigte mich, von bei¬
den etwas zu genießen. „Sie haben zwar verſchmäht,
ſagte er, dieſen Mittag unſer Gaſt zu ſeyn, doch dürfte
ein Glas von dieſem Geſchenk lieber Freunde Ihnen
ganz wohl thun!“

Ich ließ mir ſo gute Dinge gefallen, während Goethe
fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen und aufge¬
regten Geiſtes vor ſich hinzubrummen und von Zeit zu
Zeit unverſtändliche Worte herauszuſtoßen.

Das, was er ſoeben über Napoleon geſagt, lag
mir im Sinn, und ich ſuchte das Geſpräch auf jenen
Gegenſtand zurückzuführen.

Doch ſcheint es mir, begann ich, daß Napoleon ſich
beſonders in dem Zuſtande jener fortwährenden Er¬
leuchtung befunden, als er noch jung und in aufſteigen¬
der Kraft war, wo wir denn auch einen göttlichen
Schutz und ein beſtändiges Glück ihm zur Seite ſehen.
In ſpäteren Jahren dagegen ſcheint ihn jene Erleuch¬

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[227/0249] befunden, weßhalb auch ſein Geſchick ein ſo glänzendes war, wie es die Welt vor ihm nicht ſah und vielleicht auch nach ihm nicht ſehen wird.“ „Ja, ja, mein Guter, das war ein Kerl, dem wir es freilich nicht nachmachen können!“ Goethe ſchritt im Zimmer auf und ab. Ich hatte mich an den Tiſch geſetzt, der zwar bereits abgeräumt war, aber auf dem ſich noch einige Reſte Wein befanden, nebſt einigem Biscuit und Früchten. Goethe ſchenkte mir ein und nöthigte mich, von bei¬ den etwas zu genießen. „Sie haben zwar verſchmäht, ſagte er, dieſen Mittag unſer Gaſt zu ſeyn, doch dürfte ein Glas von dieſem Geſchenk lieber Freunde Ihnen ganz wohl thun!“ Ich ließ mir ſo gute Dinge gefallen, während Goethe fortfuhr im Zimmer auf und ab zu gehen und aufge¬ regten Geiſtes vor ſich hinzubrummen und von Zeit zu Zeit unverſtändliche Worte herauszuſtoßen. Das, was er ſoeben über Napoleon geſagt, lag mir im Sinn, und ich ſuchte das Geſpräch auf jenen Gegenſtand zurückzuführen. Doch ſcheint es mir, begann ich, daß Napoleon ſich beſonders in dem Zuſtande jener fortwährenden Er¬ leuchtung befunden, als er noch jung und in aufſteigen¬ der Kraft war, wo wir denn auch einen göttlichen Schutz und ein beſtändiges Glück ihm zur Seite ſehen. In ſpäteren Jahren dagegen ſcheint ihn jene Erleuch¬ 15*

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/249>, abgerufen am 21.11.2024.