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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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tung verlassen zu haben, so wie sein Glück und sein
guter Stern.

"Was wollt Ihr! erwiederte Goethe. Ich habe
auch meine Liebeslieder und meinen Werther nicht zum
zweitenmal gemacht. Jene göttliche Erleuchtung, wo¬
durch das Außerordentliche entsteht, werden wir immer
mit der Jugend und der Productivität im Bunde
finden, wie denn Napoleon einer der productivsten
Menschen war, die je gelebt haben."

"Ja, ja, mein Guter, man braucht nicht bloß Ge¬
dichte und Schauspiele zu machen, um productiv zu
seyn, es giebt auch eine Productivität der Tha¬
ten
, und die in manchen Fällen noch um ein Bedeu¬
tendes höher steht. -- Selbst der Arzt muß productiv
seyn, wenn er wahrhaft heilen will; ist er es nicht, so
wird ihm nur hin und wieder, wie durch Zufall, etwas
gelingen, im Ganzen aber wird er nur Pfuscherei
machen."

Sie scheinen, versetzte ich, in diesem Fall Producti¬
vität zu nennen, was man sonst Genie nannte.

"Beides sind auch sehr nahe liegende Dinge, erwie¬
derte Goethe. Denn was ist Genie anders, als jene
productive Kraft, wodurch Thaten entstehen, die vor
Gott und der Natur sich zeigen können, und die eben
deßwegen Folge haben und von Dauer sind. Alle
Werke Mozart's sind dieser Art; es liegt in ihnen eine
zeugende Kraft, die von Geschlecht zu Geschlecht fort¬

tung verlaſſen zu haben, ſo wie ſein Glück und ſein
guter Stern.

„Was wollt Ihr! erwiederte Goethe. Ich habe
auch meine Liebeslieder und meinen Werther nicht zum
zweitenmal gemacht. Jene göttliche Erleuchtung, wo¬
durch das Außerordentliche entſteht, werden wir immer
mit der Jugend und der Productivität im Bunde
finden, wie denn Napoleon einer der productivſten
Menſchen war, die je gelebt haben.“

„Ja, ja, mein Guter, man braucht nicht bloß Ge¬
dichte und Schauſpiele zu machen, um productiv zu
ſeyn, es giebt auch eine Productivität der Tha¬
ten
, und die in manchen Fällen noch um ein Bedeu¬
tendes höher ſteht. — Selbſt der Arzt muß productiv
ſeyn, wenn er wahrhaft heilen will; iſt er es nicht, ſo
wird ihm nur hin und wieder, wie durch Zufall, etwas
gelingen, im Ganzen aber wird er nur Pfuſcherei
machen.“

Sie ſcheinen, verſetzte ich, in dieſem Fall Producti¬
vität zu nennen, was man ſonſt Genie nannte.

„Beides ſind auch ſehr nahe liegende Dinge, erwie¬
derte Goethe. Denn was iſt Genie anders, als jene
productive Kraft, wodurch Thaten entſtehen, die vor
Gott und der Natur ſich zeigen können, und die eben
deßwegen Folge haben und von Dauer ſind. Alle
Werke Mozart's ſind dieſer Art; es liegt in ihnen eine
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[228/0250] tung verlaſſen zu haben, ſo wie ſein Glück und ſein guter Stern. „Was wollt Ihr! erwiederte Goethe. Ich habe auch meine Liebeslieder und meinen Werther nicht zum zweitenmal gemacht. Jene göttliche Erleuchtung, wo¬ durch das Außerordentliche entſteht, werden wir immer mit der Jugend und der Productivität im Bunde finden, wie denn Napoleon einer der productivſten Menſchen war, die je gelebt haben.“ „Ja, ja, mein Guter, man braucht nicht bloß Ge¬ dichte und Schauſpiele zu machen, um productiv zu ſeyn, es giebt auch eine Productivität der Tha¬ ten, und die in manchen Fällen noch um ein Bedeu¬ tendes höher ſteht. — Selbſt der Arzt muß productiv ſeyn, wenn er wahrhaft heilen will; iſt er es nicht, ſo wird ihm nur hin und wieder, wie durch Zufall, etwas gelingen, im Ganzen aber wird er nur Pfuſcherei machen.“ Sie ſcheinen, verſetzte ich, in dieſem Fall Producti¬ vität zu nennen, was man ſonſt Genie nannte. „Beides ſind auch ſehr nahe liegende Dinge, erwie¬ derte Goethe. Denn was iſt Genie anders, als jene productive Kraft, wodurch Thaten entſtehen, die vor Gott und der Natur ſich zeigen können, und die eben deßwegen Folge haben und von Dauer ſind. Alle Werke Mozart's ſind dieſer Art; es liegt in ihnen eine zeugende Kraft, die von Geſchlecht zu Geſchlecht fort¬

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/250>, abgerufen am 21.11.2024.