Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.dert mit uns Deutschen aussieht, und ob wir es sodann Freitag, den 16. Mai 1828*. Mit Goethe spazieren gefahren. Er amüsirte sich dert mit uns Deutſchen ausſieht, und ob wir es ſodann Freitag, den 16. Mai 1828*. Mit Goethe ſpazieren gefahren. Er amüſirte ſich <TEI> <text> <body> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0276" n="254"/> dert mit uns Deutſchen ausſieht, und ob wir es ſodann<lb/> dahin werden gebracht haben, nicht mehr abſtracte Ge¬<lb/> lehrte und Philoſophen, ſondern Menſchen zu ſeyn.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="4"> <dateline rendition="#right">Freitag, den 16. Mai 1828*.<lb/></dateline> <p>Mit Goethe ſpazieren gefahren. Er amüſirte ſich<lb/> an der Erinnerung ſeiner Streitigkeiten mit Kotzebue<lb/> und Conſorten und recitirte einige ſehr luſtige Epi¬<lb/> gramme gegen den Erſteren, die übrigens mehr ſpaßhaft<lb/> als verletzend waren. Ich fragte ihn: warum er ſie<lb/> nicht in ſeine Werke aufgenommen? „Ich habe eine<lb/> ganze Sammlung ſolcher Gedichtchen, erwiederte Goethe,<lb/> die ich geheim halte und nur gelegentlich den Vertrau¬<lb/> teſten meiner Freunde zeige. Es war dieß die einzige<lb/> unſchuldige Waffe, die mir gegen die Angriffe meiner<lb/> Feinde zu Gebote ſtand. Ich machte mir dadurch im<lb/> Stillen Luft und befreiete und reinigte mich dadurch<lb/> von dem fatalen Gefühl des Mißwollens, das ich ſonſt<lb/> gegen die öffentlichen und oft boshaften Häkeleien<lb/> meiner Gegner hätte empfinden und nähren müſſen.<lb/> Durch jene Gedichtchen habe ich mir alſo perſönlich<lb/> einen weſentlichen Dienſt geleiſtet. Aber ich will nicht<lb/> das Publicum mit meinen Privathändeln beſchäftigen<lb/> oder noch lebende Perſonen dadurch verletzen. In ſpä¬<lb/> terer Zeit jedoch wird ſich davon Dieß oder Jenes<lb/> ganz ohne Bedenken mittheilen laſſen.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [254/0276]
dert mit uns Deutſchen ausſieht, und ob wir es ſodann
dahin werden gebracht haben, nicht mehr abſtracte Ge¬
lehrte und Philoſophen, ſondern Menſchen zu ſeyn.“
Freitag, den 16. Mai 1828*.
Mit Goethe ſpazieren gefahren. Er amüſirte ſich
an der Erinnerung ſeiner Streitigkeiten mit Kotzebue
und Conſorten und recitirte einige ſehr luſtige Epi¬
gramme gegen den Erſteren, die übrigens mehr ſpaßhaft
als verletzend waren. Ich fragte ihn: warum er ſie
nicht in ſeine Werke aufgenommen? „Ich habe eine
ganze Sammlung ſolcher Gedichtchen, erwiederte Goethe,
die ich geheim halte und nur gelegentlich den Vertrau¬
teſten meiner Freunde zeige. Es war dieß die einzige
unſchuldige Waffe, die mir gegen die Angriffe meiner
Feinde zu Gebote ſtand. Ich machte mir dadurch im
Stillen Luft und befreiete und reinigte mich dadurch
von dem fatalen Gefühl des Mißwollens, das ich ſonſt
gegen die öffentlichen und oft boshaften Häkeleien
meiner Gegner hätte empfinden und nähren müſſen.
Durch jene Gedichtchen habe ich mir alſo perſönlich
einen weſentlichen Dienſt geleiſtet. Aber ich will nicht
das Publicum mit meinen Privathändeln beſchäftigen
oder noch lebende Perſonen dadurch verletzen. In ſpä¬
terer Zeit jedoch wird ſich davon Dieß oder Jenes
ganz ohne Bedenken mittheilen laſſen.“
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Zitationshilfe: | Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/276>, abgerufen am 26.06.2024. |