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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Auch nie anders als zweispännig. Ein Gepränge mit
sechs Pferden und Röcke mit Ordenssternen scheint
nicht sehr nach seinem Geschmack gewesen zu seyn."

"Das ist, erwiederte Goethe, jetzt bei Fürsten über¬
haupt kaum mehr an der Zeit. Es kommt jetzt darauf
an, was Einer auf der Wage der Menschheit wiegt;
alles Uebrige ist eitel. Ein Rock mit dem Stern und
ein Wagen mit sechs Pferden imponirt nur noch allen¬
falls der rohesten Masse, und kaum dieser. Uebrigens
hing die alte Droschke des Großherzogs kaum in Fe¬
dern. Wer mit ihm fuhr, hatte verzweifelte Stöße
auszuhalten. Aber das war ihm eben recht. Er liebte
das Derbe und Unbequeme und war ein Feind aller
Verweichlichung."

Spuren davon, sagte ich, sieht man schon in Ihrem
Gedicht "Ilmenau", wo Sie ihn nach dem Leben ge¬
zeichnet zu haben scheinen.

"Er war damals sehr jung, erwiederte Goethe;
doch ging es mit uns freilich etwas toll her. Er war
wie ein edler Wein, aber noch in gewaltiger Gährung.
Er wußte mit seinen Kräften nicht wo hinaus und wir
waren oft sehr nahe am Halsbrechen. Auf Parforce-
Pferden über Hecken, Gräben und durch Flüsse, und
bergauf bergein sich tagelang abarbeiten, und dann
Nachts unter freiem Himmel campiren, etwa bei einem
Feuer im Walde: das war nach seinem Sinne. Ein
Herzogthum geerbt zu haben, war ihm nichts, aber

Auch nie anders als zweiſpännig. Ein Gepränge mit
ſechs Pferden und Röcke mit Ordensſternen ſcheint
nicht ſehr nach ſeinem Geſchmack geweſen zu ſeyn.“

„Das iſt, erwiederte Goethe, jetzt bei Fürſten über¬
haupt kaum mehr an der Zeit. Es kommt jetzt darauf
an, was Einer auf der Wage der Menſchheit wiegt;
alles Uebrige iſt eitel. Ein Rock mit dem Stern und
ein Wagen mit ſechs Pferden imponirt nur noch allen¬
falls der roheſten Maſſe, und kaum dieſer. Uebrigens
hing die alte Droſchke des Großherzogs kaum in Fe¬
dern. Wer mit ihm fuhr, hatte verzweifelte Stöße
auszuhalten. Aber das war ihm eben recht. Er liebte
das Derbe und Unbequeme und war ein Feind aller
Verweichlichung.“

Spuren davon, ſagte ich, ſieht man ſchon in Ihrem
Gedicht „Ilmenau“, wo Sie ihn nach dem Leben ge¬
zeichnet zu haben ſcheinen.

„Er war damals ſehr jung, erwiederte Goethe;
doch ging es mit uns freilich etwas toll her. Er war
wie ein edler Wein, aber noch in gewaltiger Gährung.
Er wußte mit ſeinen Kräften nicht wo hinaus und wir
waren oft ſehr nahe am Halsbrechen. Auf Parforçe-
Pferden über Hecken, Gräben und durch Flüſſe, und
bergauf bergein ſich tagelang abarbeiten, und dann
Nachts unter freiem Himmel campiren, etwa bei einem
Feuer im Walde: das war nach ſeinem Sinne. Ein
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[266/0288] Auch nie anders als zweiſpännig. Ein Gepränge mit ſechs Pferden und Röcke mit Ordensſternen ſcheint nicht ſehr nach ſeinem Geſchmack geweſen zu ſeyn.“ „Das iſt, erwiederte Goethe, jetzt bei Fürſten über¬ haupt kaum mehr an der Zeit. Es kommt jetzt darauf an, was Einer auf der Wage der Menſchheit wiegt; alles Uebrige iſt eitel. Ein Rock mit dem Stern und ein Wagen mit ſechs Pferden imponirt nur noch allen¬ falls der roheſten Maſſe, und kaum dieſer. Uebrigens hing die alte Droſchke des Großherzogs kaum in Fe¬ dern. Wer mit ihm fuhr, hatte verzweifelte Stöße auszuhalten. Aber das war ihm eben recht. Er liebte das Derbe und Unbequeme und war ein Feind aller Verweichlichung.“ Spuren davon, ſagte ich, ſieht man ſchon in Ihrem Gedicht „Ilmenau“, wo Sie ihn nach dem Leben ge¬ zeichnet zu haben ſcheinen. „Er war damals ſehr jung, erwiederte Goethe; doch ging es mit uns freilich etwas toll her. Er war wie ein edler Wein, aber noch in gewaltiger Gährung. Er wußte mit ſeinen Kräften nicht wo hinaus und wir waren oft ſehr nahe am Halsbrechen. Auf Parforçe- Pferden über Hecken, Gräben und durch Flüſſe, und bergauf bergein ſich tagelang abarbeiten, und dann Nachts unter freiem Himmel campiren, etwa bei einem Feuer im Walde: das war nach ſeinem Sinne. Ein Herzogthum geerbt zu haben, war ihm nichts, aber

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/288>, abgerufen am 22.11.2024.