Wohlwollen, von der reinsten Menschenliebe, und wollte mit ganzer Seele nur das Beste. Er dachte immer zuerst an das Glück des Landes und ganz zuletzt erst ein wenig an sich selber. Edlen Menschen entgegen zu kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war seine Hand immer bereit und offen. Es war in ihm viel Göttliches. Er hätte die ganze Menschheit beglücken mögen. Liebe aber erzeugt Liebe. Wer aber geliebt ist, hat leicht regieren."
"Und drittens: Er war größer, als seine Umgebung. Neben zehn Stimmen, die ihm über einen gewissen Fall zu Ohren kamen, vernahm er die elfte, bessere, in sich selber. Fremde Zuflisterungen glitten an ihm ab, und er kam nicht leicht in den Fall, etwas Unfürstliches zu begehen, indem er das zweideutig gemachte Verdienst zurücksetzte und empfohlene Lumpe in Schutz nahm. Er sah überall selber, urtheilte selber, und hatte in allen Fäl¬ len in sich selber die sicherste Basis. Dabei war er schweig¬ samer Natur und seinen Worten folgte die Handlung."
Wie leid thut es mir, sagte ich, daß ich nicht viel mehr von ihm gekannt habe als sein Aeußeres; doch das hat sich mir tief eingeprägt. Ich sehe ihn noch immer auf seiner alten Droschke, im abgetragenen grauen Mantel und Militairmütze und eine Cigarre rauchend, wie er auf die Jagd fuhr, seine Lieblings- Hunde nebenher. Ich habe ihn nie anders fahren sehen, als auf dieser unansehnlichen alten Droschke.
Wohlwollen, von der reinſten Menſchenliebe, und wollte mit ganzer Seele nur das Beſte. Er dachte immer zuerſt an das Glück des Landes und ganz zuletzt erſt ein wenig an ſich ſelber. Edlen Menſchen entgegen zu kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war ſeine Hand immer bereit und offen. Es war in ihm viel Göttliches. Er hätte die ganze Menſchheit beglücken mögen. Liebe aber erzeugt Liebe. Wer aber geliebt iſt, hat leicht regieren.“
„Und drittens: Er war größer, als ſeine Umgebung. Neben zehn Stimmen, die ihm über einen gewiſſen Fall zu Ohren kamen, vernahm er die elfte, beſſere, in ſich ſelber. Fremde Zufliſterungen glitten an ihm ab, und er kam nicht leicht in den Fall, etwas Unfürſtliches zu begehen, indem er das zweideutig gemachte Verdienſt zurückſetzte und empfohlene Lumpe in Schutz nahm. Er ſah überall ſelber, urtheilte ſelber, und hatte in allen Fäl¬ len in ſich ſelber die ſicherſte Baſis. Dabei war er ſchweig¬ ſamer Natur und ſeinen Worten folgte die Handlung.“
Wie leid thut es mir, ſagte ich, daß ich nicht viel mehr von ihm gekannt habe als ſein Aeußeres; doch das hat ſich mir tief eingeprägt. Ich ſehe ihn noch immer auf ſeiner alten Droſchke, im abgetragenen grauen Mantel und Militairmütze und eine Cigarre rauchend, wie er auf die Jagd fuhr, ſeine Lieblings- Hunde nebenher. Ich habe ihn nie anders fahren ſehen, als auf dieſer unanſehnlichen alten Droſchke.
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0287"n="265"/>
Wohlwollen, von der reinſten Menſchenliebe, und wollte<lb/>
mit ganzer Seele nur das Beſte. Er dachte immer<lb/>
zuerſt an das Glück des Landes und ganz zuletzt erſt<lb/>
ein wenig an ſich ſelber. Edlen Menſchen entgegen zu<lb/>
kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war ſeine<lb/>
Hand immer bereit und offen. Es war in ihm viel<lb/>
Göttliches. Er hätte die ganze Menſchheit beglücken<lb/>
mögen. Liebe aber erzeugt Liebe. Wer aber geliebt<lb/>
iſt, hat leicht regieren.“</p><lb/><p>„Und drittens: Er war größer, als ſeine Umgebung.<lb/>
Neben zehn Stimmen, die ihm über einen gewiſſen Fall<lb/>
zu Ohren kamen, vernahm er die elfte, beſſere, in ſich<lb/>ſelber. Fremde Zufliſterungen glitten an ihm ab, und<lb/>
er kam nicht leicht in den Fall, etwas Unfürſtliches zu<lb/>
begehen, indem er das zweideutig gemachte Verdienſt<lb/>
zurückſetzte und empfohlene Lumpe in Schutz nahm. Er<lb/>ſah überall ſelber, urtheilte ſelber, und hatte in allen Fäl¬<lb/>
len in ſich ſelber die ſicherſte Baſis. Dabei war er ſchweig¬<lb/>ſamer Natur und ſeinen Worten folgte die Handlung.“</p><lb/><p>Wie leid thut es mir, ſagte ich, daß ich nicht viel<lb/>
mehr von ihm gekannt habe als ſein Aeußeres; doch<lb/>
das hat ſich mir tief eingeprägt. Ich ſehe ihn noch<lb/>
immer auf ſeiner alten Droſchke, im abgetragenen<lb/>
grauen Mantel und Militairmütze und eine Cigarre<lb/>
rauchend, wie er auf die Jagd fuhr, ſeine Lieblings-<lb/>
Hunde nebenher. Ich habe ihn nie anders fahren<lb/>ſehen, als auf dieſer unanſehnlichen alten Droſchke.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[265/0287]
Wohlwollen, von der reinſten Menſchenliebe, und wollte
mit ganzer Seele nur das Beſte. Er dachte immer
zuerſt an das Glück des Landes und ganz zuletzt erſt
ein wenig an ſich ſelber. Edlen Menſchen entgegen zu
kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war ſeine
Hand immer bereit und offen. Es war in ihm viel
Göttliches. Er hätte die ganze Menſchheit beglücken
mögen. Liebe aber erzeugt Liebe. Wer aber geliebt
iſt, hat leicht regieren.“
„Und drittens: Er war größer, als ſeine Umgebung.
Neben zehn Stimmen, die ihm über einen gewiſſen Fall
zu Ohren kamen, vernahm er die elfte, beſſere, in ſich
ſelber. Fremde Zufliſterungen glitten an ihm ab, und
er kam nicht leicht in den Fall, etwas Unfürſtliches zu
begehen, indem er das zweideutig gemachte Verdienſt
zurückſetzte und empfohlene Lumpe in Schutz nahm. Er
ſah überall ſelber, urtheilte ſelber, und hatte in allen Fäl¬
len in ſich ſelber die ſicherſte Baſis. Dabei war er ſchweig¬
ſamer Natur und ſeinen Worten folgte die Handlung.“
Wie leid thut es mir, ſagte ich, daß ich nicht viel
mehr von ihm gekannt habe als ſein Aeußeres; doch
das hat ſich mir tief eingeprägt. Ich ſehe ihn noch
immer auf ſeiner alten Droſchke, im abgetragenen
grauen Mantel und Militairmütze und eine Cigarre
rauchend, wie er auf die Jagd fuhr, ſeine Lieblings-
Hunde nebenher. Ich habe ihn nie anders fahren
ſehen, als auf dieſer unanſehnlichen alten Droſchke.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/287>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.