er ist weit oberflächlicher, als Guizot, und weit weniger praktisch."
"Was Cousin betrifft, so kann er zwar uns Deut¬ schen wenig geben, indem die Philosophie, die er seinen Landsleuten als etwas Neues bringt, uns seit vielen Jahren bekannt ist; allein er ist für die Franzosen von großer Bedeutung. Er wird ihnen eine ganz neue Richtung geben."
"Cuvier, der große Naturkenner, ist bewunderns¬ würdig durch seine Darstellung und seinen Styl. Nie¬ mand exponirt ein Factum besser, als er. Allein er besitzt fast gar keine Philosophie. Er wird sehr unter¬ richtete Schüler erziehen, aber wenig tiefe."
Alles dieses zu hören, war mir um so interessanter, als es mit den Ansichten Dumont's über die gedachten Männer sehr nahe zusammentraf. Ich versprach Goe¬ then, ihm die betreffenden Stellen aus dessen Manu¬ scripten abzuschreiben, damit er sie mit seiner eigenen Meinung gelegentlich vergleichen möge.
Die Erwähnung Dumont's brachte das Gespräch auf dessen Verhältniß zu Bentham, worüber sich Goethe also äußerte:
"Es ist für mich ein interessantes Problem, sagte er, wenn ich sehe, daß ein so vernünftiger, so gemäßig¬ ter und so praktischer Mann, wie Dumont, der Schüler und treue Verehrer dieses Narren Bentham seyn konnte."
Bentham, erwiederte ich, ist gewissermaßen als eine
er iſt weit oberflächlicher, als Guizot, und weit weniger praktiſch.“
„Was Couſin betrifft, ſo kann er zwar uns Deut¬ ſchen wenig geben, indem die Philoſophie, die er ſeinen Landsleuten als etwas Neues bringt, uns ſeit vielen Jahren bekannt iſt; allein er iſt für die Franzoſen von großer Bedeutung. Er wird ihnen eine ganz neue Richtung geben.“
„Cuvier, der große Naturkenner, iſt bewunderns¬ würdig durch ſeine Darſtellung und ſeinen Styl. Nie¬ mand exponirt ein Factum beſſer, als er. Allein er beſitzt faſt gar keine Philoſophie. Er wird ſehr unter¬ richtete Schüler erziehen, aber wenig tiefe.“
Alles dieſes zu hören, war mir um ſo intereſſanter, als es mit den Anſichten Dumont's über die gedachten Männer ſehr nahe zuſammentraf. Ich verſprach Goe¬ then, ihm die betreffenden Stellen aus deſſen Manu¬ ſcripten abzuſchreiben, damit er ſie mit ſeiner eigenen Meinung gelegentlich vergleichen möge.
Die Erwähnung Dumont's brachte das Geſpräch auf deſſen Verhältniß zu Bentham, worüber ſich Goethe alſo äußerte:
„Es iſt für mich ein intereſſantes Problem, ſagte er, wenn ich ſehe, daß ein ſo vernünftiger, ſo gemäßig¬ ter und ſo praktiſcher Mann, wie Dumont, der Schüler und treue Verehrer dieſes Narren Bentham ſeyn konnte.“
Bentham, erwiederte ich, iſt gewiſſermaßen als eine
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er iſt weit oberflächlicher, als Guizot, und weit weniger
praktiſch.“
„Was Couſin betrifft, ſo kann er zwar uns Deut¬
ſchen wenig geben, indem die Philoſophie, die er ſeinen
Landsleuten als etwas Neues bringt, uns ſeit vielen
Jahren bekannt iſt; allein er iſt für die Franzoſen von
großer Bedeutung. Er wird ihnen eine ganz neue
Richtung geben.“
„Cuvier, der große Naturkenner, iſt bewunderns¬
würdig durch ſeine Darſtellung und ſeinen Styl. Nie¬
mand exponirt ein Factum beſſer, als er. Allein er
beſitzt faſt gar keine Philoſophie. Er wird ſehr unter¬
richtete Schüler erziehen, aber wenig tiefe.“
Alles dieſes zu hören, war mir um ſo intereſſanter,
als es mit den Anſichten Dumont's über die gedachten
Männer ſehr nahe zuſammentraf. Ich verſprach Goe¬
then, ihm die betreffenden Stellen aus deſſen Manu¬
ſcripten abzuſchreiben, damit er ſie mit ſeiner eigenen
Meinung gelegentlich vergleichen möge.
Die Erwähnung Dumont's brachte das Geſpräch
auf deſſen Verhältniß zu Bentham, worüber ſich
Goethe alſo äußerte:
„Es iſt für mich ein intereſſantes Problem, ſagte
er, wenn ich ſehe, daß ein ſo vernünftiger, ſo gemäßig¬
ter und ſo praktiſcher Mann, wie Dumont, der Schüler
und treue Verehrer dieſes Narren Bentham ſeyn konnte.“
Bentham, erwiederte ich, iſt gewiſſermaßen als eine
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/309>, abgerufen am 26.06.2024.
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