Goethe. Es versteckt sich hinter jenem Gerede mehr böser Wille gegen mich, als Sie wissen. Ich fühle darin eine neue Form des alten Hasses, mit dem man mich seit Jahren verfolgt und mir im Stillen beizukom¬ men sucht. Ich weiß recht gut, ich bin Vielen ein Dorn im Auge, sie wären mich Alle sehr gerne los; und da man nun an meinem Talent nicht rühren kann, so will man an meinen Charakter. Bald soll ich stolz seyn, bald egoistisch, bald voller Neid gegen junge Talente, bald in Sinnenlust versunken, bald ohne Christenthum, und nun endlich gar ohne Liebe zu meinem Vaterlande und meinen lieben Deutschen. -- Sie kennen mich nun seit Jahren hinlänglich, und fühlen, was an alle dem Gerede ist. Wollen Sie aber wissen, was ich gelitten habe, so lesen Sie meine Xenien, und es wird Ihnen aus meinen Gegenwirkungen klar werden, womit man mir abwechselnd das Leben zu verbittern gesucht hat."
"Ein deutscher Schriftsteller, ein deutscher Märty¬ rer! -- Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders finden! Und ich selbst kann mich kaum beklagen; es ist allen Andern nicht besser gegangen, den Meisten so¬ gar schlechter, und in England und Frankreich ganz wie bei uns. Was hat nicht Moliere zu leiden gehabt! und was nicht Rousseau und Voltaire! Byron ward durch die bösen Zungen aus England getrieben und würde zuletzt ans Ende der Welt geflohen seyn, wenn
Goethe. Es verſteckt ſich hinter jenem Gerede mehr böſer Wille gegen mich, als Sie wiſſen. Ich fühle darin eine neue Form des alten Haſſes, mit dem man mich ſeit Jahren verfolgt und mir im Stillen beizukom¬ men ſucht. Ich weiß recht gut, ich bin Vielen ein Dorn im Auge, ſie wären mich Alle ſehr gerne los; und da man nun an meinem Talent nicht rühren kann, ſo will man an meinen Charakter. Bald ſoll ich ſtolz ſeyn, bald egoiſtiſch, bald voller Neid gegen junge Talente, bald in Sinnenluſt verſunken, bald ohne Chriſtenthum, und nun endlich gar ohne Liebe zu meinem Vaterlande und meinen lieben Deutſchen. — Sie kennen mich nun ſeit Jahren hinlänglich, und fühlen, was an alle dem Gerede iſt. Wollen Sie aber wiſſen, was ich gelitten habe, ſo leſen Sie meine Xenien, und es wird Ihnen aus meinen Gegenwirkungen klar werden, womit man mir abwechſelnd das Leben zu verbittern geſucht hat.“
„Ein deutſcher Schriftſteller, ein deutſcher Märty¬ rer! — Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders finden! Und ich ſelbſt kann mich kaum beklagen; es iſt allen Andern nicht beſſer gegangen, den Meiſten ſo¬ gar ſchlechter, und in England und Frankreich ganz wie bei uns. Was hat nicht Molière zu leiden gehabt! und was nicht Rouſſeau und Voltaire! Byron ward durch die böſen Zungen aus England getrieben und würde zuletzt ans Ende der Welt geflohen ſeyn, wenn
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Goethe. Es verſteckt ſich hinter jenem Gerede mehr
böſer Wille gegen mich, als Sie wiſſen. Ich fühle
darin eine neue Form des alten Haſſes, mit dem man
mich ſeit Jahren verfolgt und mir im Stillen beizukom¬
men ſucht. Ich weiß recht gut, ich bin Vielen ein
Dorn im Auge, ſie wären mich Alle ſehr gerne los;
und da man nun an meinem Talent nicht rühren kann,
ſo will man an meinen Charakter. Bald ſoll ich ſtolz
ſeyn, bald egoiſtiſch, bald voller Neid gegen junge Talente,
bald in Sinnenluſt verſunken, bald ohne Chriſtenthum,
und nun endlich gar ohne Liebe zu meinem Vaterlande
und meinen lieben Deutſchen. — Sie kennen mich nun
ſeit Jahren hinlänglich, und fühlen, was an alle dem
Gerede iſt. Wollen Sie aber wiſſen, was ich gelitten
habe, ſo leſen Sie meine Xenien, und es wird Ihnen
aus meinen Gegenwirkungen klar werden, womit man
mir abwechſelnd das Leben zu verbittern geſucht hat.“
„Ein deutſcher Schriftſteller, ein deutſcher Märty¬
rer! — Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders
finden! Und ich ſelbſt kann mich kaum beklagen; es
iſt allen Andern nicht beſſer gegangen, den Meiſten ſo¬
gar ſchlechter, und in England und Frankreich ganz
wie bei uns. Was hat nicht Molière zu leiden gehabt!
und was nicht Rouſſeau und Voltaire! Byron ward
durch die böſen Zungen aus England getrieben und
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/336>, abgerufen am 26.11.2024.
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