ein früher Tod ihn nicht den Philistern und ihrem Haß enthoben hätte."
"Und wenn noch die bornirte Masse höhere Men¬ schen verfolgte! -- Nein! ein Begabter und ein Ta¬ lent verfolgt das andere; Platen ärgert Heine, und Heine Platen, und Jeder sucht den Andern schlecht und verhaßt zu machen, da doch zu einem friedlichen Hin¬ leben und Hinwirken die Welt groß und weit genug ist, und Jeder schon an seinem eigenen Talent einen Feind hat, der ihm hinlänglich zu schaffen macht."
"Kriegslieder schreiben und im Zimmer sitzen! -- Das wäre meine Art gewesen! -- Aus dem Bivouac heraus, wo man Nachts die Pferde der feindlichen Vor¬ posten wiehern hört: da hätte ich es mir gefallen lassen! Aber das war nicht mein Leben und nicht meine Sache, sondern die von Theodor Körner. Ihn kleiden seine Kriegslieder auch ganz vollkommen. Bei mir aber, der ich keine kriegerische Natur bin und keinen kriegerischen Sinn habe, würden Kriegslieder eine Maske gewesen seyn, die mir sehr schlecht zu Ge¬ sicht gestanden hätte."
"Ich habe in meiner Poesie nie affectirt. -- Was ich nicht lebte und was mir nicht auf die Nägel brannte und zu schaffen machte, habe ich auch nicht gedichtet und ausgesprochen. Liebesgedichte habe ich nur gemacht, wenn ich liebte. Wie hätte ich nun Lieder des Hasses schreiben können ohne Haß! -- Und, unter uns, ich
ein früher Tod ihn nicht den Philiſtern und ihrem Haß enthoben hätte.“
„Und wenn noch die bornirte Maſſe höhere Men¬ ſchen verfolgte! — Nein! ein Begabter und ein Ta¬ lent verfolgt das andere; Platen ärgert Heine, und Heine Platen, und Jeder ſucht den Andern ſchlecht und verhaßt zu machen, da doch zu einem friedlichen Hin¬ leben und Hinwirken die Welt groß und weit genug iſt, und Jeder ſchon an ſeinem eigenen Talent einen Feind hat, der ihm hinlänglich zu ſchaffen macht.“
„Kriegslieder ſchreiben und im Zimmer ſitzen! — Das wäre meine Art geweſen! — Aus dem Bivouac heraus, wo man Nachts die Pferde der feindlichen Vor¬ poſten wiehern hört: da hätte ich es mir gefallen laſſen! Aber das war nicht mein Leben und nicht meine Sache, ſondern die von Theodor Körner. Ihn kleiden ſeine Kriegslieder auch ganz vollkommen. Bei mir aber, der ich keine kriegeriſche Natur bin und keinen kriegeriſchen Sinn habe, würden Kriegslieder eine Maske geweſen ſeyn, die mir ſehr ſchlecht zu Ge¬ ſicht geſtanden hätte.“
„Ich habe in meiner Poeſie nie affectirt. — Was ich nicht lebte und was mir nicht auf die Nägel brannte und zu ſchaffen machte, habe ich auch nicht gedichtet und ausgeſprochen. Liebesgedichte habe ich nur gemacht, wenn ich liebte. Wie hätte ich nun Lieder des Haſſes ſchreiben können ohne Haß! — Und, unter uns, ich
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ein früher Tod ihn nicht den Philiſtern und ihrem Haß
enthoben hätte.“
„Und wenn noch die bornirte Maſſe höhere Men¬
ſchen verfolgte! — Nein! ein Begabter und ein Ta¬
lent verfolgt das andere; Platen ärgert Heine, und
Heine Platen, und Jeder ſucht den Andern ſchlecht und
verhaßt zu machen, da doch zu einem friedlichen Hin¬
leben und Hinwirken die Welt groß und weit genug
iſt, und Jeder ſchon an ſeinem eigenen Talent einen
Feind hat, der ihm hinlänglich zu ſchaffen macht.“
„Kriegslieder ſchreiben und im Zimmer ſitzen! —
Das wäre meine Art geweſen! — Aus dem Bivouac
heraus, wo man Nachts die Pferde der feindlichen Vor¬
poſten wiehern hört: da hätte ich es mir gefallen laſſen!
Aber das war nicht mein Leben und nicht meine
Sache, ſondern die von Theodor Körner. Ihn
kleiden ſeine Kriegslieder auch ganz vollkommen. Bei
mir aber, der ich keine kriegeriſche Natur bin und
keinen kriegeriſchen Sinn habe, würden Kriegslieder
eine Maske geweſen ſeyn, die mir ſehr ſchlecht zu Ge¬
ſicht geſtanden hätte.“
„Ich habe in meiner Poeſie nie affectirt. — Was
ich nicht lebte und was mir nicht auf die Nägel brannte
und zu ſchaffen machte, habe ich auch nicht gedichtet
und ausgeſprochen. Liebesgedichte habe ich nur gemacht,
wenn ich liebte. Wie hätte ich nun Lieder des Haſſes
ſchreiben können ohne Haß! — Und, unter uns, ich
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/337>, abgerufen am 26.11.2024.
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