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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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Bei dieser Gelegenheit erzählte er mir abermals mit
vielem Selbstbehagen und guter Laune die Geschichte
seiner gewaltsamen Besitzergreifung eines an die Biblio¬
thek grenzenden Saales, den die medicinische Facultät
inne gehabt, aber nicht habe hergeben wollen.

"Die Bibliothek, sagte er, befand sich in einem sehr
schlechten Zustande. Das Local war feucht und enge,
und bei weitem nicht geeignet, seine Schätze gehöriger
Weise zu fassen, besonders seit durch den Ankauf der
Büttnerschen Bibliothek von Seiten des Großherzogs
abermals 13000 Bände hinzugekommen waren, die in
großen Haufen am Boden umherlagen, weil es, wie
gesagt, an Raum fehlte, sie gehörig zu placiren. Ich
war wirklich dieserhalb in einiger Noth. Man hätte
zu einem neuen Anbau schreiten müssen; allein dazu
fehlten die Mittel; auch konnte ein neuer Anbau noch
recht gut vermieden werden, indem unmittelbar an die
Räume der Bibliothek ein großer Saal grenzte, der
leer stand und ganz geeignet war, allen unsern Bedürf¬
nissen auf das Herrlichste abzuhelfen. Allein dieser
Saal war nicht im Besitz der Bibliothek, sondern im
Gebrauch der Facultät der Mediciner, die ihn mitunter
zu ihren Conferenzen benutzten. Ich wendete mich also
an diese Herren mit der sehr höflichen Bitte: mir diesen
Saal für die Bibliothek abzutreten. Dazu aber woll¬
ten die Herren sich nicht verstehen. Allenfalls seyen
sie geneigt, nachzugeben, wenn ich ihnen für den Zweck

Bei dieſer Gelegenheit erzählte er mir abermals mit
vielem Selbſtbehagen und guter Laune die Geſchichte
ſeiner gewaltſamen Beſitzergreifung eines an die Biblio¬
thek grenzenden Saales, den die mediciniſche Facultät
inne gehabt, aber nicht habe hergeben wollen.

„Die Bibliothek, ſagte er, befand ſich in einem ſehr
ſchlechten Zuſtande. Das Local war feucht und enge,
und bei weitem nicht geeignet, ſeine Schätze gehöriger
Weiſe zu faſſen, beſonders ſeit durch den Ankauf der
Büttnerſchen Bibliothek von Seiten des Großherzogs
abermals 13000 Bände hinzugekommen waren, die in
großen Haufen am Boden umherlagen, weil es, wie
geſagt, an Raum fehlte, ſie gehörig zu placiren. Ich
war wirklich dieſerhalb in einiger Noth. Man hätte
zu einem neuen Anbau ſchreiten müſſen; allein dazu
fehlten die Mittel; auch konnte ein neuer Anbau noch
recht gut vermieden werden, indem unmittelbar an die
Räume der Bibliothek ein großer Saal grenzte, der
leer ſtand und ganz geeignet war, allen unſern Bedürf¬
niſſen auf das Herrlichſte abzuhelfen. Allein dieſer
Saal war nicht im Beſitz der Bibliothek, ſondern im
Gebrauch der Facultät der Mediciner, die ihn mitunter
zu ihren Conferenzen benutzten. Ich wendete mich alſo
an dieſe Herren mit der ſehr höflichen Bitte: mir dieſen
Saal für die Bibliothek abzutreten. Dazu aber woll¬
ten die Herren ſich nicht verſtehen. Allenfalls ſeyen
ſie geneigt, nachzugeben, wenn ich ihnen für den Zweck

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[317/0339] Bei dieſer Gelegenheit erzählte er mir abermals mit vielem Selbſtbehagen und guter Laune die Geſchichte ſeiner gewaltſamen Beſitzergreifung eines an die Biblio¬ thek grenzenden Saales, den die mediciniſche Facultät inne gehabt, aber nicht habe hergeben wollen. „Die Bibliothek, ſagte er, befand ſich in einem ſehr ſchlechten Zuſtande. Das Local war feucht und enge, und bei weitem nicht geeignet, ſeine Schätze gehöriger Weiſe zu faſſen, beſonders ſeit durch den Ankauf der Büttnerſchen Bibliothek von Seiten des Großherzogs abermals 13000 Bände hinzugekommen waren, die in großen Haufen am Boden umherlagen, weil es, wie geſagt, an Raum fehlte, ſie gehörig zu placiren. Ich war wirklich dieſerhalb in einiger Noth. Man hätte zu einem neuen Anbau ſchreiten müſſen; allein dazu fehlten die Mittel; auch konnte ein neuer Anbau noch recht gut vermieden werden, indem unmittelbar an die Räume der Bibliothek ein großer Saal grenzte, der leer ſtand und ganz geeignet war, allen unſern Bedürf¬ niſſen auf das Herrlichſte abzuhelfen. Allein dieſer Saal war nicht im Beſitz der Bibliothek, ſondern im Gebrauch der Facultät der Mediciner, die ihn mitunter zu ihren Conferenzen benutzten. Ich wendete mich alſo an dieſe Herren mit der ſehr höflichen Bitte: mir dieſen Saal für die Bibliothek abzutreten. Dazu aber woll¬ ten die Herren ſich nicht verſtehen. Allenfalls ſeyen ſie geneigt, nachzugeben, wenn ich ihnen für den Zweck

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/339>, abgerufen am 26.11.2024.