Goethe zeigte mir Tabellen, wohinein er in latei¬ nischer und deutscher Sprache viele Namen von Pflan¬ zen geschrieben hatte, um sie auswendig zu lernen. Er sagte mir, daß er ein Zimmer gehabt, das ganz mit solchen Tabellen austapezirt gewesen, und worin er, an den Wänden umhergehend, studirt und gelernt habe. "Es thut mir leid, fügte er hinzu, daß es später über¬ weißt worden. Auch hatte ich ein anderes, das mit chronologischen Notizen meiner Arbeiten während einer langen Reihe von Jahren beschrieben war und worauf ich das Neueste immer nachtrug. Auch dieses ist leider übertüncht worden, welches ich nicht wenig bedauere, indem es mir gerade jetzt herrliche Dienste thun könnte."
Mittwoch, den 20. October 1830*.
Ein Stündchen bei Goethe, um mit ihm im Auf¬ trag der Frau Großherzogin wegen eines silbernen Wappenschildes Rücksprache zu nehmen, das der Prinz der hiesigen Armbrustschützen-Gesellschaft verehren soll, deren Mitglied er geworden.
Unsere Unterhaltung wendete sich bald auf andere Dinge, und Goethe bat mich, ihm meine Meinung über die Saint-Simonisten zu sagen.
Die Hauptrichtung ihrer Lehre, erwiederte ich, scheint dahin zu gehen, daß Jeder für das Glück des
Mittwoch, den 13. October 1830*.
Goethe zeigte mir Tabellen, wohinein er in latei¬ niſcher und deutſcher Sprache viele Namen von Pflan¬ zen geſchrieben hatte, um ſie auswendig zu lernen. Er ſagte mir, daß er ein Zimmer gehabt, das ganz mit ſolchen Tabellen austapezirt geweſen, und worin er, an den Wänden umhergehend, ſtudirt und gelernt habe. „Es thut mir leid, fügte er hinzu, daß es ſpäter über¬ weißt worden. Auch hatte ich ein anderes, das mit chronologiſchen Notizen meiner Arbeiten während einer langen Reihe von Jahren beſchrieben war und worauf ich das Neueſte immer nachtrug. Auch dieſes iſt leider übertüncht worden, welches ich nicht wenig bedauere, indem es mir gerade jetzt herrliche Dienſte thun könnte.“
Mittwoch, den 20. October 1830*.
Ein Stündchen bei Goethe, um mit ihm im Auf¬ trag der Frau Großherzogin wegen eines ſilbernen Wappenſchildes Rückſprache zu nehmen, das der Prinz der hieſigen Armbruſtſchützen-Geſellſchaft verehren ſoll, deren Mitglied er geworden.
Unſere Unterhaltung wendete ſich bald auf andere Dinge, und Goethe bat mich, ihm meine Meinung über die Saint-Simoniſten zu ſagen.
Die Hauptrichtung ihrer Lehre, erwiederte ich, ſcheint dahin zu gehen, daß Jeder für das Glück des
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Mittwoch, den 13. October 1830*.
Goethe zeigte mir Tabellen, wohinein er in latei¬
niſcher und deutſcher Sprache viele Namen von Pflan¬
zen geſchrieben hatte, um ſie auswendig zu lernen. Er
ſagte mir, daß er ein Zimmer gehabt, das ganz mit
ſolchen Tabellen austapezirt geweſen, und worin er, an
den Wänden umhergehend, ſtudirt und gelernt habe.
„Es thut mir leid, fügte er hinzu, daß es ſpäter über¬
weißt worden. Auch hatte ich ein anderes, das mit
chronologiſchen Notizen meiner Arbeiten während einer
langen Reihe von Jahren beſchrieben war und worauf
ich das Neueſte immer nachtrug. Auch dieſes iſt leider
übertüncht worden, welches ich nicht wenig bedauere,
indem es mir gerade jetzt herrliche Dienſte thun könnte.“
Mittwoch, den 20. October 1830*.
Ein Stündchen bei Goethe, um mit ihm im Auf¬
trag der Frau Großherzogin wegen eines ſilbernen
Wappenſchildes Rückſprache zu nehmen, das der Prinz
der hieſigen Armbruſtſchützen-Geſellſchaft verehren ſoll,
deren Mitglied er geworden.
Unſere Unterhaltung wendete ſich bald auf andere
Dinge, und Goethe bat mich, ihm meine Meinung über
die Saint-Simoniſten zu ſagen.
Die Hauptrichtung ihrer Lehre, erwiederte ich,
ſcheint dahin zu gehen, daß Jeder für das Glück des
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/365>, abgerufen am 29.11.2024.
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