Ausstellung von Früchten und Gegenständen der In¬ dustrie, welche reicher war, als man erwartet hatte. Darauf großes Diner der zahlreich anwesenden Mit¬ glieder. Goethe trat herein, zu freudiger Ueberraschung aller Anwesenden. Er verweilte einige Zeit und be¬ trachtete sodann die ausgestellten Gegenstände mit sicht¬ barem Interesse. Sein Erscheinen machte den glücklich¬ sten Eindruck, besonders auch auf Solche, die ihn früher noch nicht gesehen.
Donnerstag, den 1. December 1831.
Ein Stündchen bei Goethe in allerlei Gesprächen. Dann kamen wir auch auf Soret.
"Ich habe, sagte Goethe, in diesen Tagen ein sehr hübsches Gedicht von ihm gelesen, und zwar eine Tri¬ logie, deren beide ersten Theile einen heiter ländli¬ chen, der letzte aber, unter dem Titel "Mitternacht", einen schauerlich-düstern Charakter trägt. Diese "Mit¬ ternacht" ist ihm ganz vorzüglich gelungen. Man ath¬ met darin wirklich den Hauch der Nacht, fast wie in den Bildern von Rembrandt, in denen man auch die nächtliche Luft zu empfinden glaubt. Victor Hugo hat ähnliche Gegenstände behandelt, allein nicht mit solchem Glück. In den nächtlichen Darstellungen dieses un¬ streitig sehr großen Talents wird es nie wirklich Nacht, vielmehr bleiben die Gegenstände immer noch so deut¬ lich und sichtbar, als ob es in der That noch Tag
Ausſtellung von Früchten und Gegenſtänden der In¬ duſtrie, welche reicher war, als man erwartet hatte. Darauf großes Diner der zahlreich anweſenden Mit¬ glieder. Goethe trat herein, zu freudiger Ueberraſchung aller Anweſenden. Er verweilte einige Zeit und be¬ trachtete ſodann die ausgeſtellten Gegenſtände mit ſicht¬ barem Intereſſe. Sein Erſcheinen machte den glücklich¬ ſten Eindruck, beſonders auch auf Solche, die ihn früher noch nicht geſehen.
Donnerstag, den 1. December 1831.
Ein Stündchen bei Goethe in allerlei Geſprächen. Dann kamen wir auch auf Soret.
„Ich habe, ſagte Goethe, in dieſen Tagen ein ſehr hübſches Gedicht von ihm geleſen, und zwar eine Tri¬ logie, deren beide erſten Theile einen heiter ländli¬ chen, der letzte aber, unter dem Titel „Mitternacht“, einen ſchauerlich-düſtern Charakter trägt. Dieſe „Mit¬ ternacht“ iſt ihm ganz vorzüglich gelungen. Man ath¬ met darin wirklich den Hauch der Nacht, faſt wie in den Bildern von Rembrandt, in denen man auch die nächtliche Luft zu empfinden glaubt. Victor Hugo hat ähnliche Gegenſtände behandelt, allein nicht mit ſolchem Glück. In den nächtlichen Darſtellungen dieſes un¬ ſtreitig ſehr großen Talents wird es nie wirklich Nacht, vielmehr bleiben die Gegenſtände immer noch ſo deut¬ lich und ſichtbar, als ob es in der That noch Tag
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Ausſtellung von Früchten und Gegenſtänden der In¬
duſtrie, welche reicher war, als man erwartet hatte.
Darauf großes Diner der zahlreich anweſenden Mit¬
glieder. Goethe trat herein, zu freudiger Ueberraſchung
aller Anweſenden. Er verweilte einige Zeit und be¬
trachtete ſodann die ausgeſtellten Gegenſtände mit ſicht¬
barem Intereſſe. Sein Erſcheinen machte den glücklich¬
ſten Eindruck, beſonders auch auf Solche, die ihn
früher noch nicht geſehen.
Donnerstag, den 1. December 1831.
Ein Stündchen bei Goethe in allerlei Geſprächen.
Dann kamen wir auch auf Soret.
„Ich habe, ſagte Goethe, in dieſen Tagen ein ſehr
hübſches Gedicht von ihm geleſen, und zwar eine Tri¬
logie, deren beide erſten Theile einen heiter ländli¬
chen, der letzte aber, unter dem Titel „Mitternacht“,
einen ſchauerlich-düſtern Charakter trägt. Dieſe „Mit¬
ternacht“ iſt ihm ganz vorzüglich gelungen. Man ath¬
met darin wirklich den Hauch der Nacht, faſt wie in
den Bildern von Rembrandt, in denen man auch die
nächtliche Luft zu empfinden glaubt. Victor Hugo hat
ähnliche Gegenſtände behandelt, allein nicht mit ſolchem
Glück. In den nächtlichen Darſtellungen dieſes un¬
ſtreitig ſehr großen Talents wird es nie wirklich Nacht,
vielmehr bleiben die Gegenſtände immer noch ſo deut¬
lich und ſichtbar, als ob es in der That noch Tag
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/382>, abgerufen am 30.11.2024.
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