seinem Erscheinen nur ein einzigesmal wieder gelesen und mich gehütet, es abermals zu thun. Es sind lauter Brandraketen! -- Es wird mir unheimlich dabei und ich fürchte, den pathologischen Zustand wieder durch¬ zuempfinden, aus dem es hervorging."
Ich erinnerte an sein Gespräch mit Napoleon, das ich aus der Skizze kenne, die unter seinen ungedruckten Papieren vorhanden, und die ich ihn wiederholt ersucht habe, weiter auszuführen. Napoleon, sagte ich, bezeich¬ net gegen Sie im Werther eine Stelle, die ihm, einer scharfen Prüfung gegenüber, nicht Stich zu halten scheint, welches Sie ihm auch zugeben. Ich möchte sehr gerne wissen, welche Stelle er gemeint hat. "Rathen Sie!" sagte Goethe mit einem geheimnißvollen Lächeln. Nun, sagte ich, ich dächte fast, es wäre die, wo Lotte Werthern die Pistolen schickt, ohne gegen Alberten ein Wort zu sagen und ohne ihm ihre Ahnungen und Befürchtungen mitzutheilen. Sie haben sich zwar alle Mühe gegeben, dieses Schwei¬ gen zu motiviren, allein es scheint doch Alles gegen die dringende Nothwendigkeit, wo es das Leben des Freundes galt, nicht Stich zu halten. "Ihre Bemer¬ kung, erwiederte Goethe, ist freilich nicht schlecht. Ob aber Napoleon dieselbe Stelle gemeint hat, oder eine andere, halte ich für gut, nicht zu verrathen. Aber wie gesagt, Ihre Beobachtung ist eben so richtig wie die seinige."
ſeinem Erſcheinen nur ein einzigesmal wieder geleſen und mich gehütet, es abermals zu thun. Es ſind lauter Brandraketen! — Es wird mir unheimlich dabei und ich fürchte, den pathologiſchen Zuſtand wieder durch¬ zuempfinden, aus dem es hervorging.“
Ich erinnerte an ſein Geſpräch mit Napoleon, das ich aus der Skizze kenne, die unter ſeinen ungedruckten Papieren vorhanden, und die ich ihn wiederholt erſucht habe, weiter auszuführen. Napoleon, ſagte ich, bezeich¬ net gegen Sie im Werther eine Stelle, die ihm, einer ſcharfen Prüfung gegenüber, nicht Stich zu halten ſcheint, welches Sie ihm auch zugeben. Ich möchte ſehr gerne wiſſen, welche Stelle er gemeint hat. „Rathen Sie!“ ſagte Goethe mit einem geheimnißvollen Lächeln. Nun, ſagte ich, ich dächte faſt, es wäre die, wo Lotte Werthern die Piſtolen ſchickt, ohne gegen Alberten ein Wort zu ſagen und ohne ihm ihre Ahnungen und Befürchtungen mitzutheilen. Sie haben ſich zwar alle Mühe gegeben, dieſes Schwei¬ gen zu motiviren, allein es ſcheint doch Alles gegen die dringende Nothwendigkeit, wo es das Leben des Freundes galt, nicht Stich zu halten. „Ihre Bemer¬ kung, erwiederte Goethe, iſt freilich nicht ſchlecht. Ob aber Napoleon dieſelbe Stelle gemeint hat, oder eine andere, halte ich für gut, nicht zu verrathen. Aber wie geſagt, Ihre Beobachtung iſt eben ſo richtig wie die ſeinige.“
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ſeinem Erſcheinen nur ein einzigesmal wieder geleſen
und mich gehütet, es abermals zu thun. Es ſind
lauter Brandraketen! — Es wird mir unheimlich dabei
und ich fürchte, den pathologiſchen Zuſtand wieder durch¬
zuempfinden, aus dem es hervorging.“
Ich erinnerte an ſein Geſpräch mit Napoleon, das
ich aus der Skizze kenne, die unter ſeinen ungedruckten
Papieren vorhanden, und die ich ihn wiederholt erſucht
habe, weiter auszuführen. Napoleon, ſagte ich, bezeich¬
net gegen Sie im Werther eine Stelle, die ihm, einer
ſcharfen Prüfung gegenüber, nicht Stich zu halten
ſcheint, welches Sie ihm auch zugeben. Ich möchte
ſehr gerne wiſſen, welche Stelle er gemeint hat.
„Rathen Sie!“ ſagte Goethe mit einem geheimnißvollen
Lächeln. Nun, ſagte ich, ich dächte faſt, es wäre
die, wo Lotte Werthern die Piſtolen ſchickt, ohne
gegen Alberten ein Wort zu ſagen und ohne ihm
ihre Ahnungen und Befürchtungen mitzutheilen. Sie
haben ſich zwar alle Mühe gegeben, dieſes Schwei¬
gen zu motiviren, allein es ſcheint doch Alles gegen
die dringende Nothwendigkeit, wo es das Leben des
Freundes galt, nicht Stich zu halten. „Ihre Bemer¬
kung, erwiederte Goethe, iſt freilich nicht ſchlecht.
Ob aber Napoleon dieſelbe Stelle gemeint hat, oder
eine andere, halte ich für gut, nicht zu verrathen.
Aber wie geſagt, Ihre Beobachtung iſt eben ſo richtig
wie die ſeinige.“
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/60>, abgerufen am 23.11.2024.
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