derstreben. Wenn aber die Ruhe auf den Sturm gefolgt, und er wieder zu sich gekommen war, dann wählte sie die Gelegenheit, ihn auf seinen Fehler aufmerksam zu machen, wenn er wirk- lich ohne Grund aufgebraust war. Mehrere vornehme Frauen, deren Gatten weit weniger heftig waren als der ihrige, sahen sich gleichwohl von ihnen miß- handelt, und zwar so, daß sie die Spu- ren der erhaltenen Schläge auf ihren Gesichtern trugen. In ihren vertrau- lichen Unterhaltungen beklagten sie sich über das rohe Benehmen ihrer Gatten. Meine Mutter entgegnete ihnen, daß sie vielmehr ihrer Zunge die Schuld beimessen sollten. Dann fügte sie, in- dem sie einen ernsten Rat in einen Scherz kleidete, hinzu, sie hätten schon damals, als man ihnen ihren Ehever- trag vorlas, diesen als die Urkunde ihrer Knechtschaft betrachten sollen. Sie sollten demnach ihren Stand nicht ver- gessen, und sich nicht gegen ihre Herren
derstreben. Wenn aber die Ruhe auf den Sturm gefolgt, und er wieder zu sich gekommen war, dann wählte sie die Gelegenheit, ihn auf seinen Fehler aufmerksam zu machen, wenn er wirk- lich ohne Grund aufgebraust war. Mehrere vornehme Frauen, deren Gatten weit weniger heftig waren als der ihrige, sahen sich gleichwohl von ihnen miß- handelt, und zwar so, daß sie die Spu- ren der erhaltenen Schläge auf ihren Gesichtern trugen. In ihren vertrau- lichen Unterhaltungen beklagten sie sich über das rohe Benehmen ihrer Gatten. Meine Mutter entgegnete ihnen, daß sie vielmehr ihrer Zunge die Schuld beimessen sollten. Dann fügte sie, in- dem sie einen ernsten Rat in einen Scherz kleidete, hinzu, sie hätten schon damals, als man ihnen ihren Ehever- trag vorlas, diesen als die Urkunde ihrer Knechtschaft betrachten sollen. Sie sollten demnach ihren Stand nicht ver- gessen, und sich nicht gegen ihre Herren
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derstreben. Wenn aber die Ruhe auf
den Sturm gefolgt, und er wieder zu
sich gekommen war, dann wählte sie
die Gelegenheit, ihn auf seinen Fehler
aufmerksam zu machen, wenn er wirk-
lich ohne Grund aufgebraust war. Mehrere
vornehme Frauen, deren Gatten weit
weniger heftig waren als der ihrige,
sahen sich gleichwohl von ihnen miß-
handelt, und zwar so, daß sie die Spu-
ren der erhaltenen Schläge auf ihren
Gesichtern trugen. In ihren vertrau-
lichen Unterhaltungen beklagten sie sich
über das rohe Benehmen ihrer Gatten.
Meine Mutter entgegnete ihnen, daß
sie vielmehr ihrer Zunge die Schuld
beimessen sollten. Dann fügte sie, in-
dem sie einen ernsten Rat in einen
Scherz kleidete, hinzu, sie hätten schon
damals, als man ihnen ihren Ehever-
trag vorlas, diesen als die Urkunde
ihrer Knechtschaft betrachten sollen. Sie
sollten demnach ihren Stand nicht ver-
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Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/213>, abgerufen am 24.11.2024.
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