Am letzten Tage wird sie lachen. Es war ein schauerlicher Tag für die machabäische Mutter, an welchem sie zuschauen mußte, wie ihre Söhne der Reihe nach für ihre Treue gegen das Gesetz hingeschlachtet wurden. Aber als sie selber am Abend den letzten Seufzer unter der Hand des Henkers ausgehaucht hatte, war sie doch, mit den Augen des Glaubens betrachtet, eine überglückliche Mutter und schied von dieser Welt mit dem seligen Ge- fühle, gesiegt zu haben, gerettet zu ha- ben, was ihrem Mutterherzen das Teuerste war.
Welcher Abstand zwischen der Fol- terbank der Machabäerin und dem lieblichen Frühlingsabend in Ostia, und doch die gleiche Wonne der ster- benden Mutter! Das Zeugnis des französischen Arztes, der zweitausend Frauen sterben gesehen, sagt uns, daß auch Mütter, die in stiller Verborgen- heit, in ganz gewöhnlichen Verhält-
Am letzten Tage wird sie lachen. Es war ein schauerlicher Tag für die machabäische Mutter, an welchem sie zuschauen mußte, wie ihre Söhne der Reihe nach für ihre Treue gegen das Gesetz hingeschlachtet wurden. Aber als sie selber am Abend den letzten Seufzer unter der Hand des Henkers ausgehaucht hatte, war sie doch, mit den Augen des Glaubens betrachtet, eine überglückliche Mutter und schied von dieser Welt mit dem seligen Ge- fühle, gesiegt zu haben, gerettet zu ha- ben, was ihrem Mutterherzen das Teuerste war.
Welcher Abstand zwischen der Fol- terbank der Machabäerin und dem lieblichen Frühlingsabend in Ostia, und doch die gleiche Wonne der ster- benden Mutter! Das Zeugnis des französischen Arztes, der zweitausend Frauen sterben gesehen, sagt uns, daß auch Mütter, die in stiller Verborgen- heit, in ganz gewöhnlichen Verhält-
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Am letzten Tage wird sie lachen.
Es war ein schauerlicher Tag für die
machabäische Mutter, an welchem sie
zuschauen mußte, wie ihre Söhne der
Reihe nach für ihre Treue gegen das
Gesetz hingeschlachtet wurden. Aber
als sie selber am Abend den letzten
Seufzer unter der Hand des Henkers
ausgehaucht hatte, war sie doch, mit
den Augen des Glaubens betrachtet,
eine überglückliche Mutter und schied
von dieser Welt mit dem seligen Ge-
fühle, gesiegt zu haben, gerettet zu ha-
ben, was ihrem Mutterherzen das
Teuerste war.
Welcher Abstand zwischen der Fol-
terbank der Machabäerin und dem
lieblichen Frühlingsabend in Ostia,
und doch die gleiche Wonne der ster-
benden Mutter! Das Zeugnis des
französischen Arztes, der zweitausend
Frauen sterben gesehen, sagt uns, daß
auch Mütter, die in stiller Verborgen-
heit, in ganz gewöhnlichen Verhält-
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Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/350>, abgerufen am 21.11.2024.
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