in welcher bald das eine, bald das andere vorherrschen kann.
Was man sich von den Temperamenten bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen- des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche Temperament genannt wird, ist schon ziem- lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft ist, die später aufwachen und den Menschen beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von der Erziehung und später vom freien Willen darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit, zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen- sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht darum, das angeborne Temperament zu unter- drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig, zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man von Natur aus mehr zum Frohsinn oder zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat. Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht verleugnet, sondern veredelt und verklärt. Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz und Heiterkeit geliebt und geübt haben.
in welcher bald das eine, bald das andere vorherrschen kann.
Was man sich von den Temperamenten bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen- des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche Temperament genannt wird, ist schon ziem- lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft ist, die später aufwachen und den Menschen beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von der Erziehung und später vom freien Willen darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit, zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen- sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht darum, das angeborne Temperament zu unter- drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig, zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man von Natur aus mehr zum Frohsinn oder zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat. Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht verleugnet, sondern veredelt und verklärt. Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz und Heiterkeit geliebt und geübt haben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="25"><p><pbfacs="#f0196"xml:id="E29V3_001_1895_pb0182_0001"n="182"/>
in welcher bald das eine, bald das andere<lb/>
vorherrschen kann.</p><p>Was man sich von den Temperamenten<lb/>
bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen-<lb/>
des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche<lb/>
Temperament genannt wird, ist schon ziem-<lb/>
lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft<lb/>
ist, die später aufwachen und den Menschen<lb/>
beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von<lb/>
der Erziehung und später vom freien Willen<lb/>
darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage<lb/>
zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit,<lb/>
zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen-<lb/>
sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht<lb/>
darum, das angeborne Temperament zu unter-<lb/>
drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig,<lb/>
zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man<lb/>
von Natur aus mehr zum Frohsinn oder<lb/>
zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder<lb/>
bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur<lb/>
behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat.<lb/>
Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst<lb/>
ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen<lb/>
haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht<lb/>
verleugnet, sondern veredelt und verklärt.<lb/>
Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz<lb/>
und Heiterkeit geliebt und geübt haben.</p></div></div></body></text></TEI>
[182/0196]
in welcher bald das eine, bald das andere
vorherrschen kann.
Was man sich von den Temperamenten
bei der Erziehung zu merken hat, ist folgen-
des: In der Gemütsbeschaffenheit, welche
Temperament genannt wird, ist schon ziem-
lich gegeben, welches die Hauptleidenschaft
ist, die später aufwachen und den Menschen
beherrschen wird, wenn sie nicht zuerst von
der Erziehung und später vom freien Willen
darniedergehalten wird. Bald ist die Anlage
zum Zorn vorherrschend, bald zur Trägheit,
zum Trübsinn, zum Leichtsinn, zum Eigen-
sinn und Hochmut. Es handelt sich nicht
darum, das angeborne Temperament zu unter-
drücken, sondern dasselbe, so weit notwendig,
zu verbessern und richtig zu bilden. Ob man
von Natur aus mehr zum Frohsinn oder
zum Ernst geneigt sei, ob man feuriger oder
bedächtiger angelegt sei, jeder soll die Natur
behalten, die ihm der Schöpfer gegeben hat.
Man kann mit jeder ein guter Christ und selbst
ein Heiliger werden. Selbst die Heiligen
haben ihre angebornen Gemütsanlagen nicht
verleugnet, sondern veredelt und verklärt.
Es giebt ja manche Heilige, welche Scherz
und Heiterkeit geliebt und geübt haben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/196>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.