der freiwilligen Befolgung eines höheren Gesetzes. Die Herrschaft über sich selbst soll der junge Christ erlangen zuerst durch eine christlich ernste Zucht in der Erziehung, und nachher durch freiwillige Selbstverleugnung. Der Gärtner schneidet die wilden Schmarotzer- zweige vom jungen Baume weg, weil sie nutzlos an dessen guten Säften zehren, und gerade dadurch erhöht er die Lebenskraft des Baumes. So muß der Vater die übeln Anlagen im Knaben und Jüngling bekäm- pfen und gleichzeitig die Keime des Guten in ihm wecken und pflegen. Diese Abgewöhnung des Bösen und Angewöhnung an das Gute ist eine kostbare Frucht der guten Erziehung und erleichtert es dem Jüngling ungemein, wenn er selbständig wird, sich selber zu be- herrschen. Um Charakter zu besitzen, muß der junge Mann die Kraft haben, seinem Eigenwillen und seinen unordentlichen Be- gierden "Nein" zu sagen, er muß fähig sein, nach der Weisung Christi Selbstverleug- nung zu üben, wann und wo die Pflicht es erfordert. Eine gute Erziehung und eigene Anstrengung können den Charakter so bil- den, daß die Fehler des Temperamentes nicht mehr bemerkt werden. Der heilige Franz
der freiwilligen Befolgung eines höheren Gesetzes. Die Herrschaft über sich selbst soll der junge Christ erlangen zuerst durch eine christlich ernste Zucht in der Erziehung, und nachher durch freiwillige Selbstverleugnung. Der Gärtner schneidet die wilden Schmarotzer- zweige vom jungen Baume weg, weil sie nutzlos an dessen guten Säften zehren, und gerade dadurch erhöht er die Lebenskraft des Baumes. So muß der Vater die übeln Anlagen im Knaben und Jüngling bekäm- pfen und gleichzeitig die Keime des Guten in ihm wecken und pflegen. Diese Abgewöhnung des Bösen und Angewöhnung an das Gute ist eine kostbare Frucht der guten Erziehung und erleichtert es dem Jüngling ungemein, wenn er selbständig wird, sich selber zu be- herrschen. Um Charakter zu besitzen, muß der junge Mann die Kraft haben, seinem Eigenwillen und seinen unordentlichen Be- gierden „Nein“ zu sagen, er muß fähig sein, nach der Weisung Christi Selbstverleug- nung zu üben, wann und wo die Pflicht es erfordert. Eine gute Erziehung und eigene Anstrengung können den Charakter so bil- den, daß die Fehler des Temperamentes nicht mehr bemerkt werden. Der heilige Franz
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[187/0201]
der freiwilligen Befolgung eines höheren
Gesetzes. Die Herrschaft über sich selbst soll
der junge Christ erlangen zuerst durch eine
christlich ernste Zucht in der Erziehung, und
nachher durch freiwillige Selbstverleugnung.
Der Gärtner schneidet die wilden Schmarotzer-
zweige vom jungen Baume weg, weil sie
nutzlos an dessen guten Säften zehren, und
gerade dadurch erhöht er die Lebenskraft
des Baumes. So muß der Vater die übeln
Anlagen im Knaben und Jüngling bekäm-
pfen und gleichzeitig die Keime des Guten in
ihm wecken und pflegen. Diese Abgewöhnung
des Bösen und Angewöhnung an das Gute
ist eine kostbare Frucht der guten Erziehung
und erleichtert es dem Jüngling ungemein,
wenn er selbständig wird, sich selber zu be-
herrschen. Um Charakter zu besitzen, muß
der junge Mann die Kraft haben, seinem
Eigenwillen und seinen unordentlichen Be-
gierden „Nein“ zu sagen, er muß fähig sein,
nach der Weisung Christi Selbstverleug-
nung zu üben, wann und wo die Pflicht es
erfordert. Eine gute Erziehung und eigene
Anstrengung können den Charakter so bil-
den, daß die Fehler des Temperamentes nicht
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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