zufrühe Selbständigkeit des Kindes, welches vielfach sein eigener Herr wird, bevor es erzogen ist, und mitten in die Gefahren der Welt hineingestellt ist, bevor es denselben gewachsen ist. Man möchte wieder über die junge Generation ausrufen, wie einst der heilige Augustin zur Zeit des Unterganges der römischen Civilisation über eine Schar junger Christen ausrief: "Mache sie, o Herr, aus Kindern zu Greisen!" Um ohne Schaden durch die Welt zu kommen, sollten sie im zarten Alter schon die Erfahrung, die Vor- sicht und die Festigkeit des gereiften Alters besitzen.
Dieses Bild trifft glücklicherweise nicht überall vollständig zu, aber es ist die Signatur der neuen Zeit, ist an vielen Orten bereits verwirklicht und fast an allen Orten im Wer- den begriffen. Kann man da die Kinder auch noch für den Himmel erziehen? Können die Eltern so auf sie einwirken, daß sie unter solchen Verhältnissen den Glauben und die Tugend bewahren und zu guten Christen heranwachsen? Es ist schwer, diese Frage mit einem einzigen Worte zu beantworten. Sicher ist, daß es in der heutigen Welt wim- melt von verwahrlosten Kindern und von
zufrühe Selbständigkeit des Kindes, welches vielfach sein eigener Herr wird, bevor es erzogen ist, und mitten in die Gefahren der Welt hineingestellt ist, bevor es denselben gewachsen ist. Man möchte wieder über die junge Generation ausrufen, wie einst der heilige Augustin zur Zeit des Unterganges der römischen Civilisation über eine Schar junger Christen ausrief: „Mache sie, o Herr, aus Kindern zu Greisen!“ Um ohne Schaden durch die Welt zu kommen, sollten sie im zarten Alter schon die Erfahrung, die Vor- sicht und die Festigkeit des gereiften Alters besitzen.
Dieses Bild trifft glücklicherweise nicht überall vollständig zu, aber es ist die Signatur der neuen Zeit, ist an vielen Orten bereits verwirklicht und fast an allen Orten im Wer- den begriffen. Kann man da die Kinder auch noch für den Himmel erziehen? Können die Eltern so auf sie einwirken, daß sie unter solchen Verhältnissen den Glauben und die Tugend bewahren und zu guten Christen heranwachsen? Es ist schwer, diese Frage mit einem einzigen Worte zu beantworten. Sicher ist, daß es in der heutigen Welt wim- melt von verwahrlosten Kindern und von
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[44/0058]
zufrühe Selbständigkeit des Kindes, welches
vielfach sein eigener Herr wird, bevor es
erzogen ist, und mitten in die Gefahren der
Welt hineingestellt ist, bevor es denselben
gewachsen ist. Man möchte wieder über die
junge Generation ausrufen, wie einst der
heilige Augustin zur Zeit des Unterganges
der römischen Civilisation über eine Schar
junger Christen ausrief: „Mache sie, o Herr,
aus Kindern zu Greisen!“ Um ohne Schaden
durch die Welt zu kommen, sollten sie im
zarten Alter schon die Erfahrung, die Vor-
sicht und die Festigkeit des gereiften Alters
besitzen.
Dieses Bild trifft glücklicherweise nicht
überall vollständig zu, aber es ist die Signatur
der neuen Zeit, ist an vielen Orten bereits
verwirklicht und fast an allen Orten im Wer-
den begriffen. Kann man da die Kinder
auch noch für den Himmel erziehen? Können
die Eltern so auf sie einwirken, daß sie unter
solchen Verhältnissen den Glauben und die
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/58>, abgerufen am 21.11.2024.
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