Oft besuchte ihn dort Herr v. A. in seiner Werk¬ statt, doch immer nur auf kurze Zeit, um ihn nicht zu stören; denn er schien eine heilige Scheu vor al¬ lem zu haben, womit es einem Menschen Ernst war, obschon er, wie Friedrich aus mehreren Aeusserungen bemerkt hatte, insbesondere von der Dichtkunst gar nichts hielt. Er war einer von je¬ nen, die, durch einseitige Erziehung und eine Reihe schmerzlicher Erfahrungen ermüdet, den lebendigen Glauben an Poesie, Liebe, Heldenmuth und alles Große und Ungewöhnliche im Leben aufgegeben ha¬ ben, weil es sich so ungefüge gebährdet und nir¬ gends mehr in die Zeit hineinpassen will. Zu über¬ drüßig, um sich diese Räthsel zu lösen, und doch zu großmüthig, um sich in das wichtigthuende Nichts der anderen einzulassen, ziehen sich solche Menschen nach und nach kalt in sich selbst zurück und erklären zulezt alles für eitel und Affektation. Daher liebte er die beyden Gäste, welche seine meist sehr genia¬ len Bemerkungen, mit denen er das Erbärmliche aller Affektation auf die höchste Spitze des Lächerli¬ chen zu stellen pflegte, immer sogleich verstanden und würdigten. Ueberhaupt waren ihm diese bey¬ den eine ganz neue Erscheinung, die ihn oft in sei¬ ner Apathie irre machte, und er gewann während ihres Auffenthaltes auf dem Schlosse eine unge¬ wöhnliche Heiterkeit und Lust an sich selber. Uebri¬ gens war er bis zur Sonderbarkeit einfach, redlich und gutmüthig und Friedrich liebte ihn unaus¬ sprechlich.
Oft beſuchte ihn dort Herr v. A. in ſeiner Werk¬ ſtatt, doch immer nur auf kurze Zeit, um ihn nicht zu ſtören; denn er ſchien eine heilige Scheu vor al¬ lem zu haben, womit es einem Menſchen Ernſt war, obſchon er, wie Friedrich aus mehreren Aeuſſerungen bemerkt hatte, insbeſondere von der Dichtkunſt gar nichts hielt. Er war einer von je¬ nen, die, durch einſeitige Erziehung und eine Reihe ſchmerzlicher Erfahrungen ermüdet, den lebendigen Glauben an Poeſie, Liebe, Heldenmuth und alles Große und Ungewöhnliche im Leben aufgegeben ha¬ ben, weil es ſich ſo ungefüge gebährdet und nir¬ gends mehr in die Zeit hineinpaſſen will. Zu über¬ drüßig, um ſich dieſe Räthſel zu löſen, und doch zu großmüthig, um ſich in das wichtigthuende Nichts der anderen einzulaſſen, ziehen ſich ſolche Menſchen nach und nach kalt in ſich ſelbſt zurück und erklären zulezt alles für eitel und Affektation. Daher liebte er die beyden Gäſte, welche ſeine meiſt ſehr genia¬ len Bemerkungen, mit denen er das Erbärmliche aller Affektation auf die höchſte Spitze des Lächerli¬ chen zu ſtellen pflegte, immer ſogleich verſtanden und würdigten. Ueberhaupt waren ihm dieſe bey¬ den eine ganz neue Erſcheinung, die ihn oft in ſei¬ ner Apathie irre machte, und er gewann während ihres Auffenthaltes auf dem Schloſſe eine unge¬ wöhnliche Heiterkeit und Luſt an ſich ſelber. Uebri¬ gens war er bis zur Sonderbarkeit einfach, redlich und gutmüthig und Friedrich liebte ihn unaus¬ ſprechlich.
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Oft beſuchte ihn dort Herr v. A. in ſeiner Werk¬
ſtatt, doch immer nur auf kurze Zeit, um ihn nicht
zu ſtören; denn er ſchien eine heilige Scheu vor al¬
lem zu haben, womit es einem Menſchen Ernſt
war, obſchon er, wie Friedrich aus mehreren
Aeuſſerungen bemerkt hatte, insbeſondere von der
Dichtkunſt gar nichts hielt. Er war einer von je¬
nen, die, durch einſeitige Erziehung und eine Reihe
ſchmerzlicher Erfahrungen ermüdet, den lebendigen
Glauben an Poeſie, Liebe, Heldenmuth und alles
Große und Ungewöhnliche im Leben aufgegeben ha¬
ben, weil es ſich ſo ungefüge gebährdet und nir¬
gends mehr in die Zeit hineinpaſſen will. Zu über¬
drüßig, um ſich dieſe Räthſel zu löſen, und doch
zu großmüthig, um ſich in das wichtigthuende Nichts
der anderen einzulaſſen, ziehen ſich ſolche Menſchen
nach und nach kalt in ſich ſelbſt zurück und erklären
zulezt alles für eitel und Affektation. Daher liebte
er die beyden Gäſte, welche ſeine meiſt ſehr genia¬
len Bemerkungen, mit denen er das Erbärmliche
aller Affektation auf die höchſte Spitze des Lächerli¬
chen zu ſtellen pflegte, immer ſogleich verſtanden
und würdigten. Ueberhaupt waren ihm dieſe bey¬
den eine ganz neue Erſcheinung, die ihn oft in ſei¬
ner Apathie irre machte, und er gewann während
ihres Auffenthaltes auf dem Schloſſe eine unge¬
wöhnliche Heiterkeit und Luſt an ſich ſelber. Uebri¬
gens war er bis zur Sonderbarkeit einfach, redlich
und gutmüthig und Friedrich liebte ihn unaus¬
ſprechlich.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/120>, abgerufen am 27.11.2024.
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