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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Er hatte noch nicht lange oben gesessen, als er
den Herrn v. A. und seine Schwester aus dem Bo¬
gengange hervorbeugen und langsam auf den Baum
zukommen sah. Sie waren in einem lauten und
lebhaften Gespräche begriffen, er hörte, daß von
ihm die Rede war. Du magst sprechen, was du
willst, sagte die Tante, er ist bis über die Ohren
verliebt in unser Mädchen. Da müßt' ich keine
Menschenkenntniß haben! Und Julie kann keine
bessere Parthie finden. Ich habe schon lange, ohne
dir etwas zu sagen, nähere Erkundigungen über ihn
eingezogen. Er steht sehr gut. Er verthut zwar
viel Geld auf Reisen und verschiedenes unnützes
Zeug, und soll zu Hause ein etwas unordentliches
und auffallendes Leben führen; aber er ist noch ein
junger Mensch, und unser Kind wird ihn schon
kirre machen. Glaube mir, mein Schatz, ein kluges
Weib kann durch vernünftiges Zureden sehr viel be¬
wirken. Sind sie nur erst verheyrathet und sitzen
ruhig auf ihrem Gütchen, so wird er schon sein
sonderbares Wesen und seine überspannten Ideen
fahren lassen, und werden wie alle andre. Höre,
mein Schatz, fange doch recht bald an, ihn so von
weitem näher zu sondiren. -- Das thue ich nicht,
erwiederte Herr v. A. ruhig, ich habe mich um nichts
erkundigt, ich habe nichts bemerkt und nichts erfah¬
ren. Ihr Weiber verlegt euch alle auf's Spionieren
und Heyrathsstiften und sehet zu weit. Wirbt er
um sie, und sie ist ihm gut, so soll er sie haben;
denn er gefällt mir sehr. Aber ich menge mich in

Er hatte noch nicht lange oben geſeſſen, als er
den Herrn v. A. und ſeine Schweſter aus dem Bo¬
gengange hervorbeugen und langſam auf den Baum
zukommen ſah. Sie waren in einem lauten und
lebhaften Geſpräche begriffen, er hörte, daß von
ihm die Rede war. Du magſt ſprechen, was du
willſt, ſagte die Tante, er iſt bis über die Ohren
verliebt in unſer Mädchen. Da müßt' ich keine
Menſchenkenntniß haben! Und Julie kann keine
beſſere Parthie finden. Ich habe ſchon lange, ohne
dir etwas zu ſagen, nähere Erkundigungen über ihn
eingezogen. Er ſteht ſehr gut. Er verthut zwar
viel Geld auf Reiſen und verſchiedenes unnützes
Zeug, und ſoll zu Hauſe ein etwas unordentliches
und auffallendes Leben führen; aber er iſt noch ein
junger Menſch, und unſer Kind wird ihn ſchon
kirre machen. Glaube mir, mein Schatz, ein kluges
Weib kann durch vernünftiges Zureden ſehr viel be¬
wirken. Sind ſie nur erſt verheyrathet und ſitzen
ruhig auf ihrem Gütchen, ſo wird er ſchon ſein
ſonderbares Weſen und ſeine überſpannten Ideen
fahren laſſen, und werden wie alle andre. Höre,
mein Schatz, fange doch recht bald an, ihn ſo von
weitem näher zu ſondiren. — Das thue ich nicht,
erwiederte Herr v. A. ruhig, ich habe mich um nichts
erkundigt, ich habe nichts bemerkt und nichts erfah¬
ren. Ihr Weiber verlegt euch alle auf's Spionieren
und Heyrathsſtiften und ſehet zu weit. Wirbt er
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denn er gefällt mir ſehr. Aber ich menge mich in

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[156/0162] Er hatte noch nicht lange oben geſeſſen, als er den Herrn v. A. und ſeine Schweſter aus dem Bo¬ gengange hervorbeugen und langſam auf den Baum zukommen ſah. Sie waren in einem lauten und lebhaften Geſpräche begriffen, er hörte, daß von ihm die Rede war. Du magſt ſprechen, was du willſt, ſagte die Tante, er iſt bis über die Ohren verliebt in unſer Mädchen. Da müßt' ich keine Menſchenkenntniß haben! Und Julie kann keine beſſere Parthie finden. Ich habe ſchon lange, ohne dir etwas zu ſagen, nähere Erkundigungen über ihn eingezogen. Er ſteht ſehr gut. Er verthut zwar viel Geld auf Reiſen und verſchiedenes unnützes Zeug, und ſoll zu Hauſe ein etwas unordentliches und auffallendes Leben führen; aber er iſt noch ein junger Menſch, und unſer Kind wird ihn ſchon kirre machen. Glaube mir, mein Schatz, ein kluges Weib kann durch vernünftiges Zureden ſehr viel be¬ wirken. Sind ſie nur erſt verheyrathet und ſitzen ruhig auf ihrem Gütchen, ſo wird er ſchon ſein ſonderbares Weſen und ſeine überſpannten Ideen fahren laſſen, und werden wie alle andre. Höre, mein Schatz, fange doch recht bald an, ihn ſo von weitem näher zu ſondiren. — Das thue ich nicht, erwiederte Herr v. A. ruhig, ich habe mich um nichts erkundigt, ich habe nichts bemerkt und nichts erfah¬ ren. Ihr Weiber verlegt euch alle auf's Spionieren und Heyrathsſtiften und ſehet zu weit. Wirbt er um ſie, und ſie iſt ihm gut, ſo ſoll er ſie haben; denn er gefällt mir ſehr. Aber ich menge mich in

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/162>, abgerufen am 27.11.2024.