nichts. -- Mit deiner ewigen Gelassenheit, fiel ihm hier die Schwester heftig in's Wort, wirst du noch alles verderben. Dich rührt das Glück deines eig¬ nen Kindes nicht. Und ich sage dir, ich ruhe und raste nicht, bis sie ein Paar werden! -- Sie wa¬ ren unterdeß schon wieder von der anderen Seite hinter den Bäumen verschwunden, und er konnte nichts mehr versteh'n.
Er stieg rasch vom Baume herab. Noch bin ich frey und ledig! rief er aus und schüttelte alle Glieder. Rückt mir nicht auf den Hals mit eurem soliden, häuslichen, langweiligen Glück, mit eurer abgestandenen Tugend im Schlafrock! Wohl hat die Liebe zwey Gesichter wie Janus. Mit dem ei¬ nen buhlt diese ungetreue, reitzende Fortuna auf ihrer farbigen Kugel mit der frischen Jugend um flüchtige Küsse; doch willst du sie plump haschen und festhalten, kehrt sie dir plötzlich das andere, alte, verschrumpfte Gesicht zu, das dich unbarmherzig zu Tode schmatzt. -- Heyrathen und fett werden, mit der Schlafmütze auf dem Kopfe hinaussehen, wie draussen Aurora scheint, Wälder und Ströme noch immer ohne Ruhe fortrauschen müssen, Soldaten über die Berge zieh'n und raufen, und dann auf den Bauch schlagen und: Gott sey Dank! rufen können, das ist freylich ein Glück! -- Und doch noch tausendmal widerlicher sind mir die Faun- Gesichter von Hagestolzen, wie sie sich um die Mauern streichen, ein bischen Rammeley und Diebs¬
nichts. — Mit deiner ewigen Gelaſſenheit, fiel ihm hier die Schweſter heftig in's Wort, wirſt du noch alles verderben. Dich rührt das Glück deines eig¬ nen Kindes nicht. Und ich ſage dir, ich ruhe und raſte nicht, bis ſie ein Paar werden! — Sie wa¬ ren unterdeß ſchon wieder von der anderen Seite hinter den Bäumen verſchwunden, und er konnte nichts mehr verſteh'n.
Er ſtieg raſch vom Baume herab. Noch bin ich frey und ledig! rief er aus und ſchüttelte alle Glieder. Rückt mir nicht auf den Hals mit eurem ſoliden, häuslichen, langweiligen Glück, mit eurer abgeſtandenen Tugend im Schlafrock! Wohl hat die Liebe zwey Geſichter wie Janus. Mit dem ei¬ nen buhlt dieſe ungetreue, reitzende Fortuna auf ihrer farbigen Kugel mit der friſchen Jugend um flüchtige Küſſe; doch willſt du ſie plump haſchen und feſthalten, kehrt ſie dir plötzlich das andere, alte, verſchrumpfte Geſicht zu, das dich unbarmherzig zu Tode ſchmatzt. — Heyrathen und fett werden, mit der Schlafmütze auf dem Kopfe hinausſehen, wie drauſſen Aurora ſcheint, Wälder und Ströme noch immer ohne Ruhe fortrauſchen müſſen, Soldaten über die Berge zieh'n und raufen, und dann auf den Bauch ſchlagen und: Gott ſey Dank! rufen können, das iſt freylich ein Glück! — Und doch noch tauſendmal widerlicher ſind mir die Faun- Geſichter von Hageſtolzen, wie ſie ſich um die Mauern ſtreichen, ein bischen Rammeley und Diebs¬
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nichts. — Mit deiner ewigen Gelaſſenheit, fiel ihm
hier die Schweſter heftig in's Wort, wirſt du noch
alles verderben. Dich rührt das Glück deines eig¬
nen Kindes nicht. Und ich ſage dir, ich ruhe und
raſte nicht, bis ſie ein Paar werden! — Sie wa¬
ren unterdeß ſchon wieder von der anderen Seite
hinter den Bäumen verſchwunden, und er konnte
nichts mehr verſteh'n.
Er ſtieg raſch vom Baume herab. Noch bin ich
frey und ledig! rief er aus und ſchüttelte alle
Glieder. Rückt mir nicht auf den Hals mit eurem
ſoliden, häuslichen, langweiligen Glück, mit eurer
abgeſtandenen Tugend im Schlafrock! Wohl hat
die Liebe zwey Geſichter wie Janus. Mit dem ei¬
nen buhlt dieſe ungetreue, reitzende Fortuna auf
ihrer farbigen Kugel mit der friſchen Jugend um
flüchtige Küſſe; doch willſt du ſie plump haſchen und
feſthalten, kehrt ſie dir plötzlich das andere, alte,
verſchrumpfte Geſicht zu, das dich unbarmherzig zu
Tode ſchmatzt. — Heyrathen und fett werden, mit
der Schlafmütze auf dem Kopfe hinausſehen, wie
drauſſen Aurora ſcheint, Wälder und Ströme noch
immer ohne Ruhe fortrauſchen müſſen, Soldaten
über die Berge zieh'n und raufen, und dann auf
den Bauch ſchlagen und: Gott ſey Dank! rufen
können, das iſt freylich ein Glück! — Und doch
noch tauſendmal widerlicher ſind mir die Faun-
Geſichter von Hageſtolzen, wie ſie ſich um die
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/163>, abgerufen am 27.11.2024.
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