Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

eben zum Thore hinausritt, kam Julie eilfertig
aus der Gartenthüre. Sie schien ein Geschäft vor¬
zuhaben, sie grüßte ihn nur flüchtig mit freundli¬
chen Augen und lief ins Schloß. Er gab seinem
Pferde die Sporen und sprengte ins Feld hinaus.

Ohne einen bestimmten Weg einzuschlagen, war
er schon lange herumgeritten, als er mitten im
Walde auf einen hochgelegenen, ausgehauenen
Fleck kam. Er hörte jemanden lustig ein Liedchen
pfeiffen und ritt darauf los. Es war zu seiner nicht
geringen Freude der bekannte Ritter, den er schon
lange einmal auf seinen Irrzügen zu erwischen, sich
gewünscht hatte. Er saß auf einem Baumsturze
und ließ seinen Klepper neben sich weiden. Roman¬
tische, goldne Zeit des alten, freyen Schweiffens,
wo die ganze schöne Erde unser Lustrevier, der grü¬
ne Wald unser Haus und Burg, dich schimpft man
närrisch -- dachte Leontin bey diesem Anblick, und
rief dem Ritter aus Herzensgrunde sein Hurrah zu.
Er stieg darauf selbst vom Pferde und setzte sich zu
ihm hin. Der Tag fieng eben an, sich zum Ende
zu neigen, die Waldvögel zwitscherten von allen
Wipfeln in der Runde. Von der einen Seite sah
man in einer Vertiefung unter der Haide ein Schlö߬
chen mit stillem Hofe und Garten ganz in die Wald¬
einsamkeit versenkt. Die Wolken flogen so niedrig
über das Dach weg, als sollte sich die bedrängte
Seele daran hängen, um jenseits ins Weite, Freye
zu gelangen. Mit einem innerlichen Schauder von
Bangigkeit erfuhr Leontin von dem Ritter, daß dieß

eben zum Thore hinausritt, kam Julie eilfertig
aus der Gartenthüre. Sie ſchien ein Geſchäft vor¬
zuhaben, ſie grüßte ihn nur flüchtig mit freundli¬
chen Augen und lief ins Schloß. Er gab ſeinem
Pferde die Sporen und ſprengte ins Feld hinaus.

Ohne einen beſtimmten Weg einzuſchlagen, war
er ſchon lange herumgeritten, als er mitten im
Walde auf einen hochgelegenen, ausgehauenen
Fleck kam. Er hörte jemanden luſtig ein Liedchen
pfeiffen und ritt darauf los. Es war zu ſeiner nicht
geringen Freude der bekannte Ritter, den er ſchon
lange einmal auf ſeinen Irrzügen zu erwiſchen, ſich
gewünſcht hatte. Er ſaß auf einem Baumſturze
und ließ ſeinen Klepper neben ſich weiden. Roman¬
tiſche, goldne Zeit des alten, freyen Schweiffens,
wo die ganze ſchöne Erde unſer Luſtrevier, der grü¬
ne Wald unſer Haus und Burg, dich ſchimpft man
närriſch — dachte Leontin bey dieſem Anblick, und
rief dem Ritter aus Herzensgrunde ſein Hurrah zu.
Er ſtieg darauf ſelbſt vom Pferde und ſetzte ſich zu
ihm hin. Der Tag fieng eben an, ſich zum Ende
zu neigen, die Waldvögel zwitſcherten von allen
Wipfeln in der Runde. Von der einen Seite ſah
man in einer Vertiefung unter der Haide ein Schlö߬
chen mit ſtillem Hofe und Garten ganz in die Wald¬
einſamkeit verſenkt. Die Wolken flogen ſo niedrig
über das Dach weg, als ſollte ſich die bedrängte
Seele daran hängen, um jenſeits ins Weite, Freye
zu gelangen. Mit einem innerlichen Schauder von
Bangigkeit erfuhr Leontin von dem Ritter, daß dieß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="159"/>
eben zum Thore hinausritt, kam Julie eilfertig<lb/>
aus der Gartenthüre. Sie &#x017F;chien ein Ge&#x017F;chäft vor¬<lb/>
zuhaben, &#x017F;ie grüßte ihn nur flüchtig mit freundli¬<lb/>
chen Augen und lief ins Schloß. Er gab &#x017F;einem<lb/>
Pferde die Sporen und &#x017F;prengte ins Feld hinaus.</p><lb/>
          <p>Ohne einen be&#x017F;timmten Weg einzu&#x017F;chlagen, war<lb/>
er &#x017F;chon lange herumgeritten, als er mitten im<lb/>
Walde auf einen hochgelegenen, ausgehauenen<lb/>
Fleck kam. Er hörte jemanden lu&#x017F;tig ein Liedchen<lb/>
pfeiffen und ritt darauf los. Es war zu &#x017F;einer nicht<lb/>
geringen Freude der bekannte Ritter, den er &#x017F;chon<lb/>
lange einmal auf &#x017F;einen Irrzügen zu erwi&#x017F;chen, &#x017F;ich<lb/>
gewün&#x017F;cht hatte. Er &#x017F;aß auf einem Baum&#x017F;turze<lb/>
und ließ &#x017F;einen Klepper neben &#x017F;ich weiden. Roman¬<lb/>
ti&#x017F;che, goldne Zeit des alten, freyen Schweiffens,<lb/>
wo die ganze &#x017F;chöne Erde un&#x017F;er Lu&#x017F;trevier, der grü¬<lb/>
ne Wald un&#x017F;er Haus und Burg, dich &#x017F;chimpft man<lb/>
närri&#x017F;ch &#x2014; dachte Leontin bey die&#x017F;em Anblick, und<lb/>
rief dem Ritter aus Herzensgrunde &#x017F;ein Hurrah zu.<lb/>
Er &#x017F;tieg darauf &#x017F;elb&#x017F;t vom Pferde und &#x017F;etzte &#x017F;ich zu<lb/>
ihm hin. Der Tag fieng eben an, &#x017F;ich zum Ende<lb/>
zu neigen, die Waldvögel zwit&#x017F;cherten von allen<lb/>
Wipfeln in der Runde. Von der einen Seite &#x017F;ah<lb/>
man in einer Vertiefung unter der Haide ein Schlö߬<lb/>
chen mit &#x017F;tillem Hofe und Garten ganz in die Wald¬<lb/>
ein&#x017F;amkeit ver&#x017F;enkt. Die Wolken flogen &#x017F;o niedrig<lb/>
über das Dach weg, als &#x017F;ollte &#x017F;ich die bedrängte<lb/>
Seele daran hängen, um jen&#x017F;eits ins Weite, Freye<lb/>
zu gelangen. Mit einem innerlichen Schauder von<lb/>
Bangigkeit erfuhr Leontin von dem Ritter, daß dieß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0165] eben zum Thore hinausritt, kam Julie eilfertig aus der Gartenthüre. Sie ſchien ein Geſchäft vor¬ zuhaben, ſie grüßte ihn nur flüchtig mit freundli¬ chen Augen und lief ins Schloß. Er gab ſeinem Pferde die Sporen und ſprengte ins Feld hinaus. Ohne einen beſtimmten Weg einzuſchlagen, war er ſchon lange herumgeritten, als er mitten im Walde auf einen hochgelegenen, ausgehauenen Fleck kam. Er hörte jemanden luſtig ein Liedchen pfeiffen und ritt darauf los. Es war zu ſeiner nicht geringen Freude der bekannte Ritter, den er ſchon lange einmal auf ſeinen Irrzügen zu erwiſchen, ſich gewünſcht hatte. Er ſaß auf einem Baumſturze und ließ ſeinen Klepper neben ſich weiden. Roman¬ tiſche, goldne Zeit des alten, freyen Schweiffens, wo die ganze ſchöne Erde unſer Luſtrevier, der grü¬ ne Wald unſer Haus und Burg, dich ſchimpft man närriſch — dachte Leontin bey dieſem Anblick, und rief dem Ritter aus Herzensgrunde ſein Hurrah zu. Er ſtieg darauf ſelbſt vom Pferde und ſetzte ſich zu ihm hin. Der Tag fieng eben an, ſich zum Ende zu neigen, die Waldvögel zwitſcherten von allen Wipfeln in der Runde. Von der einen Seite ſah man in einer Vertiefung unter der Haide ein Schlö߬ chen mit ſtillem Hofe und Garten ganz in die Wald¬ einſamkeit verſenkt. Die Wolken flogen ſo niedrig über das Dach weg, als ſollte ſich die bedrängte Seele daran hängen, um jenſeits ins Weite, Freye zu gelangen. Mit einem innerlichen Schauder von Bangigkeit erfuhr Leontin von dem Ritter, daß dieß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/165
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/165>, abgerufen am 17.05.2024.