dasselbe Schloß sey, wo jezt die muntere Braut, die er auf jener Jagd kennen gelernt, seit lange schon mit ihrem jungen Manne ruhig wohne, wirth¬ schafte und hause.
Aber, sagte er endlich zu dem Ritter, wird Euch denn niemals bange auf Euren einsamen Zü¬ gen? Was macht und sinnt Ihr denn den ganzen langen Tag? -- Ich suche den Stein der Weisen, erwiederte der Ritter ruhig. Leontin mußte über diese fertige, unerwartete Antwort laut auflachen. Ihr seyd irrisch in Eurem Verstande, daß Ihr so lacht, sagte der Ritter etwas aufgebracht. Eben weil die Leute wohl wissen, daß ich den Stein der Weisen wittere, so trachten die Pharisäer und Schriftgelehrten darnach, mir durch Reden und Bli¬ cke meine Majestät von allen Seiten auszusaugen, auszuwalzen und auszudreschen. Aber ich halte mich an das Prinzipium: an Essen und Trinken; denn wer nicht ißt, der lebt nicht, wer nicht lebt, der studiert nicht, und wer nicht studiert, der wird kein Weltweiser, und das ist das Fundament der Phi¬ losophie. -- So sprach der tolle Ritter eifrig fort und gab durch Mienen und Hände seinen Worten den Nachdruck der ernsthaftesten Ueberzeugung. Leontin, den seine heutige Stimmung besonders auf¬ gelegt machte zu ausschweifenden Reden, stimmte nach seiner Art in denselben Ton mit ein, und so führten die beyden dort über die ganze Welt das allerseltsamste und unförmlichste Gespräch, das je¬
mals
daſſelbe Schloß ſey, wo jezt die muntere Braut, die er auf jener Jagd kennen gelernt, ſeit lange ſchon mit ihrem jungen Manne ruhig wohne, wirth¬ ſchafte und hauſe.
Aber, ſagte er endlich zu dem Ritter, wird Euch denn niemals bange auf Euren einſamen Zü¬ gen? Was macht und ſinnt Ihr denn den ganzen langen Tag? — Ich ſuche den Stein der Weiſen, erwiederte der Ritter ruhig. Leontin mußte über dieſe fertige, unerwartete Antwort laut auflachen. Ihr ſeyd irriſch in Eurem Verſtande, daß Ihr ſo lacht, ſagte der Ritter etwas aufgebracht. Eben weil die Leute wohl wiſſen, daß ich den Stein der Weiſen wittere, ſo trachten die Phariſäer und Schriftgelehrten darnach, mir durch Reden und Bli¬ cke meine Majeſtät von allen Seiten auszuſaugen, auszuwalzen und auszudreſchen. Aber ich halte mich an das Prinzipium: an Eſſen und Trinken; denn wer nicht ißt, der lebt nicht, wer nicht lebt, der ſtudiert nicht, und wer nicht ſtudiert, der wird kein Weltweiſer, und das iſt das Fundament der Phi¬ loſophie. — So ſprach der tolle Ritter eifrig fort und gab durch Mienen und Hände ſeinen Worten den Nachdruck der ernſthafteſten Ueberzeugung. Leontin, den ſeine heutige Stimmung beſonders auf¬ gelegt machte zu ausſchweifenden Reden, ſtimmte nach ſeiner Art in denſelben Ton mit ein, und ſo führten die beyden dort über die ganze Welt das allerſeltſamſte und unförmlichſte Geſpräch, das je¬
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daſſelbe Schloß ſey, wo jezt die muntere Braut,
die er auf jener Jagd kennen gelernt, ſeit lange
ſchon mit ihrem jungen Manne ruhig wohne, wirth¬
ſchafte und hauſe.
Aber, ſagte er endlich zu dem Ritter, wird
Euch denn niemals bange auf Euren einſamen Zü¬
gen? Was macht und ſinnt Ihr denn den ganzen
langen Tag? — Ich ſuche den Stein der Weiſen,
erwiederte der Ritter ruhig. Leontin mußte über
dieſe fertige, unerwartete Antwort laut auflachen.
Ihr ſeyd irriſch in Eurem Verſtande, daß Ihr ſo
lacht, ſagte der Ritter etwas aufgebracht. Eben
weil die Leute wohl wiſſen, daß ich den Stein der
Weiſen wittere, ſo trachten die Phariſäer und
Schriftgelehrten darnach, mir durch Reden und Bli¬
cke meine Majeſtät von allen Seiten auszuſaugen,
auszuwalzen und auszudreſchen. Aber ich halte mich
an das Prinzipium: an Eſſen und Trinken; denn
wer nicht ißt, der lebt nicht, wer nicht lebt, der
ſtudiert nicht, und wer nicht ſtudiert, der wird kein
Weltweiſer, und das iſt das Fundament der Phi¬
loſophie. — So ſprach der tolle Ritter eifrig fort
und gab durch Mienen und Hände ſeinen Worten
den Nachdruck der ernſthafteſten Ueberzeugung.
Leontin, den ſeine heutige Stimmung beſonders auf¬
gelegt machte zu ausſchweifenden Reden, ſtimmte
nach ſeiner Art in denſelben Ton mit ein, und ſo
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/166>, abgerufen am 26.11.2024.
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