seitdem ganz altmodisch geworden. Sie zupfte im¬ mer an dem Aermel und sang ein altes Lied zum rasend werden. -- Marie stand bey diesen Worten schnell auf und gieng an den Tisch. Friedrich sah auf einmal Blut über ihre Hand hervorrinnen. Al¬ les dieses geschah in Einem Augenblick.
Was hast du vor? rief Friedrich, der unter¬ deß herbeygesprungen war. Was soll mir das Le¬ ben! antwortete sie mit verhaltener, trostloser Stim¬ me. Er sah, daß sie sich mit einem Federmesser grade am gefährlichsten Fleck unterhalb der Hand verwundet hatte. Pfuy, sagte Friedrich, wie bist du seitdem unbändig geworden! Das Mädchen wurde blaß, als sie das Blut erblickte, das häufig über den weißen Arm floß. Er zog sie an das Bett hin und riß schnell ein Band aus ihren Haa¬ ren. Sie kniete vor ihm hin und ließ sich gutwillig von ihm das Blut stillen und die Wunde verbin¬ den. Das heftige Mädchen war während deß ruhi¬ ger geworden. Sie lehnte den Kopf an seine Kniee und brach in einen Strom von Thränen aus.
Da wurden sie durch Marie's Kammermädchen unterbrochen, die plötzlich in die Stube stürzte und mit Verwirrung vorbrachte, daß so eben der Herr auf dem Wege hieher sey. O Gott! rief Marie sich aufraffend, wie unglücklich bin ich! Das Mäd¬ chen aber schob den Grafen, ohne sich weiter auf Erklärungen einzulassen, eiligst aus dem Zimmer und dem Hause, und schloß die Thüre hinter ihm ab.
ſeitdem ganz altmodiſch geworden. Sie zupfte im¬ mer an dem Aermel und ſang ein altes Lied zum raſend werden. — Marie ſtand bey dieſen Worten ſchnell auf und gieng an den Tiſch. Friedrich ſah auf einmal Blut über ihre Hand hervorrinnen. Al¬ les dieſes geſchah in Einem Augenblick.
Was haſt du vor? rief Friedrich, der unter¬ deß herbeygeſprungen war. Was ſoll mir das Le¬ ben! antwortete ſie mit verhaltener, troſtloſer Stim¬ me. Er ſah, daß ſie ſich mit einem Federmeſſer grade am gefährlichſten Fleck unterhalb der Hand verwundet hatte. Pfuy, ſagte Friedrich, wie biſt du ſeitdem unbändig geworden! Das Mädchen wurde blaß, als ſie das Blut erblickte, das häufig über den weißen Arm floß. Er zog ſie an das Bett hin und riß ſchnell ein Band aus ihren Haa¬ ren. Sie kniete vor ihm hin und ließ ſich gutwillig von ihm das Blut ſtillen und die Wunde verbin¬ den. Das heftige Mädchen war während deß ruhi¬ ger geworden. Sie lehnte den Kopf an ſeine Kniee und brach in einen Strom von Thränen aus.
Da wurden ſie durch Marie's Kammermädchen unterbrochen, die plötzlich in die Stube ſtürzte und mit Verwirrung vorbrachte, daß ſo eben der Herr auf dem Wege hieher ſey. O Gott! rief Marie ſich aufraffend, wie unglücklich bin ich! Das Mäd¬ chen aber ſchob den Grafen, ohne ſich weiter auf Erklärungen einzulaſſen, eiligſt aus dem Zimmer und dem Hauſe, und ſchloß die Thüre hinter ihm ab.
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ſeitdem ganz altmodiſch geworden. Sie zupfte im¬
mer an dem Aermel und ſang ein altes Lied zum
raſend werden. — Marie ſtand bey dieſen Worten
ſchnell auf und gieng an den Tiſch. Friedrich ſah
auf einmal Blut über ihre Hand hervorrinnen. Al¬
les dieſes geſchah in Einem Augenblick.
Was haſt du vor? rief Friedrich, der unter¬
deß herbeygeſprungen war. Was ſoll mir das Le¬
ben! antwortete ſie mit verhaltener, troſtloſer Stim¬
me. Er ſah, daß ſie ſich mit einem Federmeſſer
grade am gefährlichſten Fleck unterhalb der Hand
verwundet hatte. Pfuy, ſagte Friedrich, wie biſt
du ſeitdem unbändig geworden! Das Mädchen
wurde blaß, als ſie das Blut erblickte, das häufig
über den weißen Arm floß. Er zog ſie an das
Bett hin und riß ſchnell ein Band aus ihren Haa¬
ren. Sie kniete vor ihm hin und ließ ſich gutwillig
von ihm das Blut ſtillen und die Wunde verbin¬
den. Das heftige Mädchen war während deß ruhi¬
ger geworden. Sie lehnte den Kopf an ſeine Kniee
und brach in einen Strom von Thränen aus.
Da wurden ſie durch Marie's Kammermädchen
unterbrochen, die plötzlich in die Stube ſtürzte und
mit Verwirrung vorbrachte, daß ſo eben der Herr
auf dem Wege hieher ſey. O Gott! rief Marie
ſich aufraffend, wie unglücklich bin ich! Das Mäd¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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