ben, leichtsinniges Mädchen! Wie der schwarze Ritter heute auf dem Balle, tritt überall ein freyer, wilder Gast ungeladen in das Fest. Er ist so lustig aufgeschmückt und ein rüstiger Tänzer, aber seine Augen sind leer und hohl und seine Hände todtenkalt, und du mußt sterben, wenn er dich in die Arme nimmt, denn dein Buhle ist der Teufel. -- Marie, seltsam erschüttert von diesen Worten, die sie nur halb vernahm, richtete sich auf. Er hob sie auf seinen Schooß, wo sie still sitzen blieb während er sprach. Ihre Augen und Mienen ka¬ men ihm in diesem Augenblicke wieder so unschuldig und kindisch vor, wie ehemals. Was ist aus dir geworden, arme Marie! fuhr er gerührt fort. Als ich das erstemal auf die schöne grüne Waldes¬ wiese hinunterkam, wo dein stilles Jägerhaus stand, wie du fröhlich auf dem Rehe sassest und sangst -- der Himmel war so heiter, der Wald stand frisch und rauschte im Winde, von allen Bergen bliesen die Jäger auf ihren Hörnern -- das war eine schö¬ ne Zeit! Ich habe einmal an einem kalten, stürmischen Herbsttage ein Frauenzimmer draussen im Felde sitzen gesehen, die war verrückt geworden, weil sie ihr Liebhaber, der sich lange mit ihr her¬ umgeherzt, verlassen hatte. Er hatte ihr verspro¬ chen, noch an demselben Tage wiederzukommen. Sie gieng nun seit vielen Jahren alle Tage auf das Feld und sah immerfort auf die Landstrasse hinaus. Sie hatte noch immer das Kleid an, das sie da¬ mals getragen hatte, das war schon zerrissen und
ben, leichtſinniges Mädchen! Wie der ſchwarze Ritter heute auf dem Balle, tritt überall ein freyer, wilder Gaſt ungeladen in das Feſt. Er iſt ſo luſtig aufgeſchmückt und ein rüſtiger Tänzer, aber ſeine Augen ſind leer und hohl und ſeine Hände todtenkalt, und du mußt ſterben, wenn er dich in die Arme nimmt, denn dein Buhle iſt der Teufel. — Marie, ſeltſam erſchüttert von dieſen Worten, die ſie nur halb vernahm, richtete ſich auf. Er hob ſie auf ſeinen Schooß, wo ſie ſtill ſitzen blieb während er ſprach. Ihre Augen und Mienen ka¬ men ihm in dieſem Augenblicke wieder ſo unſchuldig und kindiſch vor, wie ehemals. Was iſt aus dir geworden, arme Marie! fuhr er gerührt fort. Als ich das erſtemal auf die ſchöne grüne Waldes¬ wieſe hinunterkam, wo dein ſtilles Jägerhaus ſtand, wie du fröhlich auf dem Rehe ſaſſeſt und ſangſt — der Himmel war ſo heiter, der Wald ſtand friſch und rauſchte im Winde, von allen Bergen blieſen die Jäger auf ihren Hörnern — das war eine ſchö¬ ne Zeit! Ich habe einmal an einem kalten, ſtürmiſchen Herbſttage ein Frauenzimmer drauſſen im Felde ſitzen geſehen, die war verrückt geworden, weil ſie ihr Liebhaber, der ſich lange mit ihr her¬ umgeherzt, verlaſſen hatte. Er hatte ihr verſpro¬ chen, noch an demſelben Tage wiederzukommen. Sie gieng nun ſeit vielen Jahren alle Tage auf das Feld und ſah immerfort auf die Landſtraſſe hinaus. Sie hatte noch immer das Kleid an, das ſie da¬ mals getragen hatte, das war ſchon zerriſſen und
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ben, leichtſinniges Mädchen! Wie der ſchwarze
Ritter heute auf dem Balle, tritt überall ein
freyer, wilder Gaſt ungeladen in das Feſt. Er iſt
ſo luſtig aufgeſchmückt und ein rüſtiger Tänzer, aber
ſeine Augen ſind leer und hohl und ſeine Hände
todtenkalt, und du mußt ſterben, wenn er dich in
die Arme nimmt, denn dein Buhle iſt der Teufel.
— Marie, ſeltſam erſchüttert von dieſen Worten,
die ſie nur halb vernahm, richtete ſich auf. Er
hob ſie auf ſeinen Schooß, wo ſie ſtill ſitzen blieb
während er ſprach. Ihre Augen und Mienen ka¬
men ihm in dieſem Augenblicke wieder ſo unſchuldig
und kindiſch vor, wie ehemals. Was iſt aus dir
geworden, arme Marie! fuhr er gerührt fort.
Als ich das erſtemal auf die ſchöne grüne Waldes¬
wieſe hinunterkam, wo dein ſtilles Jägerhaus ſtand,
wie du fröhlich auf dem Rehe ſaſſeſt und ſangſt —
der Himmel war ſo heiter, der Wald ſtand friſch
und rauſchte im Winde, von allen Bergen blieſen
die Jäger auf ihren Hörnern — das war eine ſchö¬
ne Zeit! Ich habe einmal an einem kalten,
ſtürmiſchen Herbſttage ein Frauenzimmer drauſſen im
Felde ſitzen geſehen, die war verrückt geworden,
weil ſie ihr Liebhaber, der ſich lange mit ihr her¬
umgeherzt, verlaſſen hatte. Er hatte ihr verſpro¬
chen, noch an demſelben Tage wiederzukommen.
Sie gieng nun ſeit vielen Jahren alle Tage auf das
Feld und ſah immerfort auf die Landſtraſſe hinaus.
Sie hatte noch immer das Kleid an, das ſie da¬
mals getragen hatte, das war ſchon zerriſſen und
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/188>, abgerufen am 24.11.2024.
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