aber sie schob die Thüre hinter ihm zu und war verschwunden.
Er trat in eine fortlaufende Reihe schöner, ge¬ schmackvoller Zimmer. Ein prächtiges Ruhebett stand im Hintergrunde, der Fußboden war mit rei¬ chen Teppichen geschmückt, eine alabasterne Lampe erleuchtete das Ganze nur dämmernd. In dem letzten Zimmer sah er die niedliche Zigeunerin vor einem großen Wandspiegel stehen und ihre Haare flüchtig in Ordnung bringen. Als sie ihn in dem vorderen Zimmer erblickte, kam sie sogleich herbey¬ gesprungen und stürzte mit einer Hingebung in seine Arme, die keine Verstellung mit ihren gemeinen Künsten jemals erreicht. Der erstaunte Friedrich riß in diesem Augenblicke seinen Mantel und die Larve von sich. Wie vom Blitze berührt, sprang Marie bey diesem Anblicke auf, stürzte mit einem lauten Schrey auf das Ruhebett und drückte ihr, mit bey¬ den Händen bedecktes, Gesicht tief in die Kißen.
Was ist das! sagte Friedrich, sind deine Freun¬ de Gespenster geworden? Warum hast du mich ge¬ liebt, eh' du mich kanntest, und fürchtest dich nun vor mir? Marie blieb in ihrer Stellung und ließ die eine Hand, die er gefaßt hatte, matt in der seinigen; sie schien ganz vernichtet. Mit noch im¬ mer verstecktem Gesichte sagte sie leise und gepreßt: Er war auf dem Balle -- dieselbe Gestalt -- die¬ selbe Maske --. Du hast dich in mir geirrt, sag¬ te Friedrich, und setzte sich neben ihr auf das Bett, viel schwerer und furchtbarer irrst du dich am Le¬
aber ſie ſchob die Thüre hinter ihm zu und war verſchwunden.
Er trat in eine fortlaufende Reihe ſchöner, ge¬ ſchmackvoller Zimmer. Ein prächtiges Ruhebett ſtand im Hintergrunde, der Fußboden war mit rei¬ chen Teppichen geſchmückt, eine alabaſterne Lampe erleuchtete das Ganze nur dämmernd. In dem letzten Zimmer ſah er die niedliche Zigeunerin vor einem großen Wandſpiegel ſtehen und ihre Haare flüchtig in Ordnung bringen. Als ſie ihn in dem vorderen Zimmer erblickte, kam ſie ſogleich herbey¬ geſprungen und ſtürzte mit einer Hingebung in ſeine Arme, die keine Verſtellung mit ihren gemeinen Künſten jemals erreicht. Der erſtaunte Friedrich riß in dieſem Augenblicke ſeinen Mantel und die Larve von ſich. Wie vom Blitze berührt, ſprang Marie bey dieſem Anblicke auf, ſtürzte mit einem lauten Schrey auf das Ruhebett und drückte ihr, mit bey¬ den Händen bedecktes, Geſicht tief in die Kißen.
Was iſt das! ſagte Friedrich, ſind deine Freun¬ de Geſpenſter geworden? Warum haſt du mich ge¬ liebt, eh' du mich kannteſt, und fürchteſt dich nun vor mir? Marie blieb in ihrer Stellung und ließ die eine Hand, die er gefaßt hatte, matt in der ſeinigen; ſie ſchien ganz vernichtet. Mit noch im¬ mer verſtecktem Geſichte ſagte ſie leiſe und gepreßt: Er war auf dem Balle — dieſelbe Geſtalt — die¬ ſelbe Maſke —. Du haſt dich in mir geirrt, ſag¬ te Friedrich, und ſetzte ſich neben ihr auf das Bett, viel ſchwerer und furchtbarer irrſt du dich am Le¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0187"n="181"/>
aber ſie ſchob die Thüre hinter ihm zu und war<lb/>
verſchwunden.</p><lb/><p>Er trat in eine fortlaufende Reihe ſchöner, ge¬<lb/>ſchmackvoller Zimmer. Ein prächtiges Ruhebett<lb/>ſtand im Hintergrunde, der Fußboden war mit rei¬<lb/>
chen Teppichen geſchmückt, eine alabaſterne Lampe<lb/>
erleuchtete das Ganze nur dämmernd. In dem<lb/>
letzten Zimmer ſah er die niedliche Zigeunerin vor<lb/>
einem großen Wandſpiegel ſtehen und ihre Haare<lb/>
flüchtig in Ordnung bringen. Als ſie ihn in dem<lb/>
vorderen Zimmer erblickte, kam ſie ſogleich herbey¬<lb/>
geſprungen und ſtürzte mit einer Hingebung in ſeine<lb/>
Arme, die keine Verſtellung mit ihren gemeinen<lb/>
Künſten jemals erreicht. Der erſtaunte Friedrich riß<lb/>
in dieſem Augenblicke ſeinen Mantel und die Larve<lb/>
von ſich. Wie vom Blitze berührt, ſprang Marie<lb/>
bey dieſem Anblicke auf, ſtürzte mit einem lauten<lb/>
Schrey auf das Ruhebett und drückte ihr, mit bey¬<lb/>
den Händen bedecktes, Geſicht tief in die Kißen.</p><lb/><p>Was iſt das! ſagte Friedrich, ſind deine Freun¬<lb/>
de Geſpenſter geworden? Warum haſt du mich ge¬<lb/>
liebt, eh' du mich kannteſt, und fürchteſt dich nun<lb/>
vor mir? Marie blieb in ihrer Stellung und ließ<lb/>
die eine Hand, die er gefaßt hatte, matt in der<lb/>ſeinigen; ſie ſchien ganz vernichtet. Mit noch im¬<lb/>
mer verſtecktem Geſichte ſagte ſie leiſe und gepreßt:<lb/>
Er war auf dem Balle — dieſelbe Geſtalt — die¬<lb/>ſelbe Maſke —. Du haſt dich in mir geirrt, ſag¬<lb/>
te Friedrich, und ſetzte ſich neben ihr auf das Bett,<lb/>
viel ſchwerer und furchtbarer irrſt du dich am Le¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[181/0187]
aber ſie ſchob die Thüre hinter ihm zu und war
verſchwunden.
Er trat in eine fortlaufende Reihe ſchöner, ge¬
ſchmackvoller Zimmer. Ein prächtiges Ruhebett
ſtand im Hintergrunde, der Fußboden war mit rei¬
chen Teppichen geſchmückt, eine alabaſterne Lampe
erleuchtete das Ganze nur dämmernd. In dem
letzten Zimmer ſah er die niedliche Zigeunerin vor
einem großen Wandſpiegel ſtehen und ihre Haare
flüchtig in Ordnung bringen. Als ſie ihn in dem
vorderen Zimmer erblickte, kam ſie ſogleich herbey¬
geſprungen und ſtürzte mit einer Hingebung in ſeine
Arme, die keine Verſtellung mit ihren gemeinen
Künſten jemals erreicht. Der erſtaunte Friedrich riß
in dieſem Augenblicke ſeinen Mantel und die Larve
von ſich. Wie vom Blitze berührt, ſprang Marie
bey dieſem Anblicke auf, ſtürzte mit einem lauten
Schrey auf das Ruhebett und drückte ihr, mit bey¬
den Händen bedecktes, Geſicht tief in die Kißen.
Was iſt das! ſagte Friedrich, ſind deine Freun¬
de Geſpenſter geworden? Warum haſt du mich ge¬
liebt, eh' du mich kannteſt, und fürchteſt dich nun
vor mir? Marie blieb in ihrer Stellung und ließ
die eine Hand, die er gefaßt hatte, matt in der
ſeinigen; ſie ſchien ganz vernichtet. Mit noch im¬
mer verſtecktem Geſichte ſagte ſie leiſe und gepreßt:
Er war auf dem Balle — dieſelbe Geſtalt — die¬
ſelbe Maſke —. Du haſt dich in mir geirrt, ſag¬
te Friedrich, und ſetzte ſich neben ihr auf das Bett,
viel ſchwerer und furchtbarer irrſt du dich am Le¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/187>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.