die andere Seite gewendet, und zeichnete mit ihrem Finger auf dem Boden. Der Wind wehte die Töne zu ihr herüber, und sie verstand wohl alles, als der Student wieder weiter sang:
Durch Nacht und Nebel schleich' ich sacht',
Kein Lichtlein brennt, kalt weht der Wind, Riegl' auf, riegl' auf bey stiller Nacht, Weil wir so jung beysammen sind!
Ade nun, Kind, und nicht geweint!
Schon gehen Stimmen da und dort, Hoch über'n Wald Aurora scheint, Und die Studenten reisen fort.
So war es endlich Abend geworden, und die Schiffer lenkten an's Ufer. Alles stieg aus, und begab sich in ein Wirthshaus, das auf einer An¬ höhe an der Donau stand. Diesen Ort hatten die Studenten zum Ziele ihrer Begleitung bestimmt. Hier wollten sie morgen früh den Grafen verlassen und wieder zurückreisen. Sie nahmen sogleich Be¬ schlag von einem geräumigen Zimmer, dessen Fen¬ ster auf die Donau hinausgiengen. Friedrich folgte ihnen erst etwas später von den Schiffen nach. Als er die Stiege hinauf gieng, öffnete sih seitwärts eine Thüre, und die unbekannte Schöne, die auch hier eingekehrt war, trat eben aus dem erleuchteten Zimmer. Beyde schienen über einander erschrocken. Friedrich grüßte sie, sie schlug die Augen nieder und kehrte schnell wieder in das Zim¬ mer zurück.
die andere Seite gewendet, und zeichnete mit ihrem Finger auf dem Boden. Der Wind wehte die Töne zu ihr herüber, und ſie verſtand wohl alles, als der Student wieder weiter ſang:
Durch Nacht und Nebel ſchleich' ich ſacht',
Kein Lichtlein brennt, kalt weht der Wind, Riegl' auf, riegl' auf bey ſtiller Nacht, Weil wir ſo jung beyſammen ſind!
Ade nun, Kind, und nicht geweint!
Schon gehen Stimmen da und dort, Hoch über'n Wald Aurora ſcheint, Und die Studenten reiſen fort.
So war es endlich Abend geworden, und die Schiffer lenkten an's Ufer. Alles ſtieg aus, und begab ſich in ein Wirthshaus, das auf einer An¬ höhe an der Donau ſtand. Dieſen Ort hatten die Studenten zum Ziele ihrer Begleitung beſtimmt. Hier wollten ſie morgen früh den Grafen verlaſſen und wieder zurückreiſen. Sie nahmen ſogleich Be¬ ſchlag von einem geräumigen Zimmer, deſſen Fen¬ ſter auf die Donau hinausgiengen. Friedrich folgte ihnen erſt etwas ſpäter von den Schiffen nach. Als er die Stiege hinauf gieng, öffnete ſih ſeitwärts eine Thüre, und die unbekannte Schöne, die auch hier eingekehrt war, trat eben aus dem erleuchteten Zimmer. Beyde ſchienen über einander erſchrocken. Friedrich grüßte ſie, ſie ſchlug die Augen nieder und kehrte ſchnell wieder in das Zim¬ mer zurück.
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die andere Seite gewendet, und zeichnete mit ihrem
Finger auf dem Boden. Der Wind wehte die
Töne zu ihr herüber, und ſie verſtand wohl alles,
als der Student wieder weiter ſang:
Durch Nacht und Nebel ſchleich' ich ſacht',
Kein Lichtlein brennt, kalt weht der Wind,
Riegl' auf, riegl' auf bey ſtiller Nacht,
Weil wir ſo jung beyſammen ſind!
Ade nun, Kind, und nicht geweint!
Schon gehen Stimmen da und dort,
Hoch über'n Wald Aurora ſcheint,
Und die Studenten reiſen fort.
So war es endlich Abend geworden, und die
Schiffer lenkten an's Ufer. Alles ſtieg aus, und
begab ſich in ein Wirthshaus, das auf einer An¬
höhe an der Donau ſtand. Dieſen Ort hatten die
Studenten zum Ziele ihrer Begleitung beſtimmt.
Hier wollten ſie morgen früh den Grafen verlaſſen
und wieder zurückreiſen. Sie nahmen ſogleich Be¬
ſchlag von einem geräumigen Zimmer, deſſen Fen¬
ſter auf die Donau hinausgiengen. Friedrich
folgte ihnen erſt etwas ſpäter von den Schiffen
nach. Als er die Stiege hinauf gieng, öffnete ſih
ſeitwärts eine Thüre, und die unbekannte Schöne,
die auch hier eingekehrt war, trat eben aus dem
erleuchteten Zimmer. Beyde ſchienen über einander
erſchrocken. Friedrich grüßte ſie, ſie ſchlug die
Augen nieder und kehrte ſchnell wieder in das Zim¬
mer zurück.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/19>, abgerufen am 27.11.2024.
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