Unterdeß hatten sich die lustigen Gesellen in ihrer Stube schon ausgebreitet. Da lagen Jacken, Hüte, Federbüsche, Tabackspfeifen und blanke Schwerdter in der buntesten Verwirrung umher, und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht unter die wilden Gäste, die halbentkleidet auf Bet¬ ten, Tischen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬ ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde bald Wein angeschaft, man sezte sich in die Run¬ de, sang und trank des Grafen Gesundheit. Friedrich'n war heute dabey sonderbar zu Mu¬ the. Er war seit mehreren Jahren diese Lebens¬ weise gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal aufgegangen, wie diese freye Jugend ihm so keck und muthig in's Gesicht sah. Nun, da er von dem allem auf immer Abschied nehmen sollte, war ihm wie einem, der von einem lustigen Maskenballe auf die Gasse hinaustritt, wo sich alles nüchtern fortbewegt wie vorher. Er schlich sich unbemerkt aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon, der von dem Mittelgange des Hauses über die Do¬ nau hinausgieng. Der Gesang der Studenten, zu¬ weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen, schallte aus den Fenstern, die einen langen Schein in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war sehr finster. Als er sich über das Geländer hinauslehn¬ te, glaubte er neben sich athmen zu hören. Er langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine, zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an sich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht an. Er erkannte an der hohen Gestalt sogleich das
Unterdeß hatten ſich die luſtigen Geſellen in ihrer Stube ſchon ausgebreitet. Da lagen Jacken, Hüte, Federbüſche, Tabackspfeifen und blanke Schwerdter in der bunteſten Verwirrung umher, und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht unter die wilden Gäſte, die halbentkleidet auf Bet¬ ten, Tiſchen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬ ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde bald Wein angeſchaft, man ſezte ſich in die Run¬ de, ſang und trank des Grafen Geſundheit. Friedrich'n war heute dabey ſonderbar zu Mu¬ the. Er war ſeit mehreren Jahren dieſe Lebens¬ weiſe gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal aufgegangen, wie dieſe freye Jugend ihm ſo keck und muthig in's Geſicht ſah. Nun, da er von dem allem auf immer Abſchied nehmen ſollte, war ihm wie einem, der von einem luſtigen Maskenballe auf die Gaſſe hinaustritt, wo ſich alles nüchtern fortbewegt wie vorher. Er ſchlich ſich unbemerkt aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon, der von dem Mittelgange des Hauſes über die Do¬ nau hinausgieng. Der Geſang der Studenten, zu¬ weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen, ſchallte aus den Fenſtern, die einen langen Schein in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war ſehr finſter. Als er ſich über das Geländer hinauslehn¬ te, glaubte er neben ſich athmen zu hören. Er langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine, zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an ſich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht an. Er erkannte an der hohen Geſtalt ſogleich das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0020"n="14"/><p>Unterdeß hatten ſich die luſtigen Geſellen in<lb/>
ihrer Stube ſchon ausgebreitet. Da lagen Jacken,<lb/>
Hüte, Federbüſche, Tabackspfeifen und blanke<lb/>
Schwerdter in der bunteſten Verwirrung umher,<lb/>
und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht<lb/>
unter die wilden Gäſte, die halbentkleidet auf Bet¬<lb/>
ten, Tiſchen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬<lb/>
ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde<lb/>
bald Wein angeſchaft, man ſezte ſich in die Run¬<lb/>
de, ſang und trank des Grafen Geſundheit.<lb/><hirendition="#g">Friedrich'n</hi> war heute dabey ſonderbar zu Mu¬<lb/>
the. Er war ſeit mehreren Jahren dieſe Lebens¬<lb/>
weiſe gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal<lb/>
aufgegangen, wie dieſe freye Jugend ihm ſo keck<lb/>
und muthig in's Geſicht ſah. Nun, da er von dem<lb/>
allem auf immer Abſchied nehmen ſollte, war ihm<lb/>
wie einem, der von einem luſtigen Maskenballe<lb/>
auf die Gaſſe hinaustritt, wo ſich alles nüchtern<lb/>
fortbewegt wie vorher. Er ſchlich ſich unbemerkt<lb/>
aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon,<lb/>
der von dem Mittelgange des Hauſes über die Do¬<lb/>
nau hinausgieng. Der Geſang der Studenten, zu¬<lb/>
weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen,<lb/>ſchallte aus den Fenſtern, die einen langen Schein<lb/>
in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war ſehr<lb/>
finſter. Als er ſich über das Geländer hinauslehn¬<lb/>
te, glaubte er neben ſich athmen zu hören. Er<lb/>
langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine,<lb/>
zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an<lb/>ſich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht<lb/>
an. Er erkannte an der hohen Geſtalt ſogleich das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[14/0020]
Unterdeß hatten ſich die luſtigen Geſellen in
ihrer Stube ſchon ausgebreitet. Da lagen Jacken,
Hüte, Federbüſche, Tabackspfeifen und blanke
Schwerdter in der bunteſten Verwirrung umher,
und die Aufwärterinn trat mit heimlicher Furcht
unter die wilden Gäſte, die halbentkleidet auf Bet¬
ten, Tiſchen und Stühlen, wie Soldaten nach ei¬
ner blutigen Schlacht, gelagert waren. Es wurde
bald Wein angeſchaft, man ſezte ſich in die Run¬
de, ſang und trank des Grafen Geſundheit.
Friedrich'n war heute dabey ſonderbar zu Mu¬
the. Er war ſeit mehreren Jahren dieſe Lebens¬
weiſe gewohnt, und das Herz war ihm jedesmal
aufgegangen, wie dieſe freye Jugend ihm ſo keck
und muthig in's Geſicht ſah. Nun, da er von dem
allem auf immer Abſchied nehmen ſollte, war ihm
wie einem, der von einem luſtigen Maskenballe
auf die Gaſſe hinaustritt, wo ſich alles nüchtern
fortbewegt wie vorher. Er ſchlich ſich unbemerkt
aus dem Zimmer und trat hinaus auf den Balkon,
der von dem Mittelgange des Hauſes über die Do¬
nau hinausgieng. Der Geſang der Studenten, zu¬
weilen von dem Geklirre der Hieber unterbrochen,
ſchallte aus den Fenſtern, die einen langen Schein
in das Thal hinaus warfen. Die Nacht war ſehr
finſter. Als er ſich über das Geländer hinauslehn¬
te, glaubte er neben ſich athmen zu hören. Er
langte nach der Seite hin und ergriff eine kleine,
zarte Hand. Er zog den weichen Arm näher an
ſich, da funkelten ihn zwey Augen durch die Nacht
an. Er erkannte an der hohen Geſtalt ſogleich das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/20>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.