Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von selbst kräftiger und sicherer zusammenführt.
So erinnerte sich auch Friedrich, daß er ein Empfehlungsschreiben an den hiesigen Minister P., den er von einsichtsvollen Männern als ein Wunder von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey sich ha¬ be. Er zog es hervor und überlas bey dieser Ge¬ legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiseplan, den er bey seinem Auszuge von der Universität sorg¬ fältig in seine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es rührte ihn, wie da alle Wege so genau vorausbe¬ stimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬ kommen war, wie das innere Leben überall durch¬ dringt und, sich an keine vorberechneten Pläne keh¬ rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬ voller Werkstatt seine Aeste nach allen Richtungen hinstreckt und treibt und erst als Ganzes einen Plan und Ordnung erweißt.
Unter solchen Gedanken erreichte er des Mini¬ sters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von Zimmern, die alle fast bis zur Einförmigkeit einfach und schmucklos waren. Erstaunt blieb er stehen, als ihm endlich an der letzten Thüre der Minister selbst entgegenkam. Er hatte sich nach alle dem Er¬ hebenden, was er von seinem großen Streben ge¬ hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬ gen Mann vorgestellt, und fand eine lange, hage¬ re, schwarzgekleidete Gestalt, die ihn mit unhöflicher
13 *
Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von ſelbſt kräftiger und ſicherer zuſammenführt.
So erinnerte ſich auch Friedrich, daß er ein Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Miniſter P., den er von einſichtsvollen Männern als ein Wunder von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey ſich ha¬ be. Er zog es hervor und überlas bey dieſer Ge¬ legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiſeplan, den er bey ſeinem Auszuge von der Univerſität ſorg¬ fältig in ſeine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es rührte ihn, wie da alle Wege ſo genau vorausbe¬ ſtimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬ kommen war, wie das innere Leben überall durch¬ dringt und, ſich an keine vorberechneten Pläne keh¬ rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬ voller Werkſtatt ſeine Aeſte nach allen Richtungen hinſtreckt und treibt und erſt als Ganzes einen Plan und Ordnung erweißt.
Unter ſolchen Gedanken erreichte er des Mini¬ ſters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von Zimmern, die alle faſt bis zur Einförmigkeit einfach und ſchmucklos waren. Erſtaunt blieb er ſtehen, als ihm endlich an der letzten Thüre der Miniſter ſelbſt entgegenkam. Er hatte ſich nach alle dem Er¬ hebenden, was er von ſeinem großen Streben ge¬ hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬ gen Mann vorgeſtellt, und fand eine lange, hage¬ re, ſchwarzgekleidete Geſtalt, die ihn mit unhöflicher
13 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0201"n="195"/>
Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von ſelbſt<lb/>
kräftiger und ſicherer zuſammenführt.</p><lb/><p>So erinnerte ſich auch Friedrich, daß er ein<lb/>
Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Miniſter P.,<lb/>
den er von einſichtsvollen Männern als ein Wunder<lb/>
von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey ſich ha¬<lb/>
be. Er zog es hervor und überlas bey dieſer Ge¬<lb/>
legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiſeplan,<lb/>
den er bey ſeinem Auszuge von der Univerſität ſorg¬<lb/>
fältig in ſeine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es<lb/>
rührte ihn, wie da alle Wege ſo genau vorausbe¬<lb/>ſtimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬<lb/>
kommen war, wie das innere Leben überall durch¬<lb/>
dringt und, ſich an keine vorberechneten Pläne keh¬<lb/>
rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬<lb/>
voller Werkſtatt ſeine Aeſte nach allen Richtungen<lb/>
hinſtreckt und treibt und erſt als Ganzes einen Plan<lb/>
und Ordnung erweißt.</p><lb/><p>Unter ſolchen Gedanken erreichte er des Mini¬<lb/>ſters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und<lb/>
führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von<lb/>
Zimmern, die alle faſt bis zur Einförmigkeit einfach<lb/>
und ſchmucklos waren. Erſtaunt blieb er ſtehen,<lb/>
als ihm endlich an der letzten Thüre der Miniſter<lb/>ſelbſt entgegenkam. Er hatte ſich nach alle dem Er¬<lb/>
hebenden, was er von ſeinem großen Streben ge¬<lb/>
hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬<lb/>
gen Mann vorgeſtellt, und fand eine lange, hage¬<lb/>
re, ſchwarzgekleidete Geſtalt, die ihn mit unhöflicher<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[195/0201]
Liebe und Haß mit Gleichen und Widrigen von ſelbſt
kräftiger und ſicherer zuſammenführt.
So erinnerte ſich auch Friedrich, daß er ein
Empfehlungsſchreiben an den hieſigen Miniſter P.,
den er von einſichtsvollen Männern als ein Wunder
von tüchtiger Thätigkeit rühmen gehört, bey ſich ha¬
be. Er zog es hervor und überlas bey dieſer Ge¬
legenheit wieder einmal den weitläufigen Reiſeplan,
den er bey ſeinem Auszuge von der Univerſität ſorg¬
fältig in ſeine Schreibtafel aufgezeichnet hatte. Es
rührte ihn, wie da alle Wege ſo genau vorausbe¬
ſtimmt waren, und wie nachher alles anders ge¬
kommen war, wie das innere Leben überall durch¬
dringt und, ſich an keine vorberechneten Pläne keh¬
rend, gleich einem Baume aus freyer, geheimni߬
voller Werkſtatt ſeine Aeſte nach allen Richtungen
hinſtreckt und treibt und erſt als Ganzes einen Plan
und Ordnung erweißt.
Unter ſolchen Gedanken erreichte er des Mini¬
ſters Haus. Ein Kammerdiener meldete ihn an und
führte ihn bald darauf durch eine lange Reihe von
Zimmern, die alle faſt bis zur Einförmigkeit einfach
und ſchmucklos waren. Erſtaunt blieb er ſtehen,
als ihm endlich an der letzten Thüre der Miniſter
ſelbſt entgegenkam. Er hatte ſich nach alle dem Er¬
hebenden, was er von ſeinem großen Streben ge¬
hört, einen lebenskräftigen, heldenähnlichen, freudi¬
gen Mann vorgeſtellt, und fand eine lange, hage¬
re, ſchwarzgekleidete Geſtalt, die ihn mit unhöflicher
13 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/201>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.