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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Frau vom Hause vorher einige Stunden mühsamen
Studiums gekostet, um in das Ganze eine gewisse
unordentliche Genialität hineinzubringen.

Endlich erschien auch Rosa mit der jungen
Gräfin Romana, welche in dem Tableau die grie¬
chische Figur, die lebenslustige, vor dem Glanz des
Christenthums zu Stein gewordene Religion der
Phantasie so meisterhaft dargestellt hatte. Rosa's
erster Blick traf grade auf Friedrich. Erstaunt und
mit innigster Herzensfreude rief sie laut seinen Nah¬
men. Er wäre ihr um den Hals gefallen, aber der
Minister stand eben wie eine Statue neben ihm,
und manche Augen hatte ihr unvorsichtiger Ausruf
auf ihn gerichtet. Er hätte sich vor diesen Leuten
eben so gern wie Don Quixote in der Wildniß vor
seinem Sancho Pansa in Burzelbäumen produzieren
wollen, als seine Liebe ihren Augen Preis geben.
Aber so nahe als möglich hielt er sich zu ihr, es
war ihm eine unbeschreibliche Lust, sie anzurühren,
er sprach wieder mit ihr, als wäre er nie von ihr
entfernt gewesen und hielt oft Minutenlang ihre
Hand in der seinigen. Rasa'n that diese langent¬
behrte, ungekünstelte, unwiderstehliche Freude an ihr
im Innersten wohl.

Es hatte sich unterdeß ein niedliches, etwa
zehnjähriges Mädchen eingefunden, die in einer rei¬
tzenden Kleidung mit langen Beinkleidern und kurzem
schleyernen Röckchen darüber keck im Zimmer herum¬
sprang. Es war die Tochter vom Hause. Ein Herr
aus der Gesellschaft reichte ihr ein Tambourin, das

Frau vom Hauſe vorher einige Stunden mühſamen
Studiums gekoſtet, um in das Ganze eine gewiſſe
unordentliche Genialität hineinzubringen.

Endlich erſchien auch Roſa mit der jungen
Gräfin Romana, welche in dem Tableau die grie¬
chiſche Figur, die lebensluſtige, vor dem Glanz des
Chriſtenthums zu Stein gewordene Religion der
Phantaſie ſo meiſterhaft dargeſtellt hatte. Roſa's
erſter Blick traf grade auf Friedrich. Erſtaunt und
mit innigſter Herzensfreude rief ſie laut ſeinen Nah¬
men. Er wäre ihr um den Hals gefallen, aber der
Miniſter ſtand eben wie eine Statue neben ihm,
und manche Augen hatte ihr unvorſichtiger Ausruf
auf ihn gerichtet. Er hätte ſich vor dieſen Leuten
eben ſo gern wie Don Quixote in der Wildniß vor
ſeinem Sancho Panſa in Burzelbäumen produzieren
wollen, als ſeine Liebe ihren Augen Preis geben.
Aber ſo nahe als möglich hielt er ſich zu ihr, es
war ihm eine unbeſchreibliche Luſt, ſie anzurühren,
er ſprach wieder mit ihr, als wäre er nie von ihr
entfernt geweſen und hielt oft Minutenlang ihre
Hand in der ſeinigen. Raſa'n that dieſe langent¬
behrte, ungekünſtelte, unwiderſtehliche Freude an ihr
im Innerſten wohl.

Es hatte ſich unterdeß ein niedliches, etwa
zehnjähriges Mädchen eingefunden, die in einer rei¬
tzenden Kleidung mit langen Beinkleidern und kurzem
ſchleyernen Röckchen darüber keck im Zimmer herum¬
ſprang. Es war die Tochter vom Hauſe. Ein Herr
aus der Geſellſchaft reichte ihr ein Tambourin, das

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[202/0208] Frau vom Hauſe vorher einige Stunden mühſamen Studiums gekoſtet, um in das Ganze eine gewiſſe unordentliche Genialität hineinzubringen. Endlich erſchien auch Roſa mit der jungen Gräfin Romana, welche in dem Tableau die grie¬ chiſche Figur, die lebensluſtige, vor dem Glanz des Chriſtenthums zu Stein gewordene Religion der Phantaſie ſo meiſterhaft dargeſtellt hatte. Roſa's erſter Blick traf grade auf Friedrich. Erſtaunt und mit innigſter Herzensfreude rief ſie laut ſeinen Nah¬ men. Er wäre ihr um den Hals gefallen, aber der Miniſter ſtand eben wie eine Statue neben ihm, und manche Augen hatte ihr unvorſichtiger Ausruf auf ihn gerichtet. Er hätte ſich vor dieſen Leuten eben ſo gern wie Don Quixote in der Wildniß vor ſeinem Sancho Panſa in Burzelbäumen produzieren wollen, als ſeine Liebe ihren Augen Preis geben. Aber ſo nahe als möglich hielt er ſich zu ihr, es war ihm eine unbeſchreibliche Luſt, ſie anzurühren, er ſprach wieder mit ihr, als wäre er nie von ihr entfernt geweſen und hielt oft Minutenlang ihre Hand in der ſeinigen. Raſa'n that dieſe langent¬ behrte, ungekünſtelte, unwiderſtehliche Freude an ihr im Innerſten wohl. Es hatte ſich unterdeß ein niedliches, etwa zehnjähriges Mädchen eingefunden, die in einer rei¬ tzenden Kleidung mit langen Beinkleidern und kurzem ſchleyernen Röckchen darüber keck im Zimmer herum¬ ſprang. Es war die Tochter vom Hauſe. Ein Herr aus der Geſellſchaft reichte ihr ein Tambourin, das

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/208>, abgerufen am 23.11.2024.