ges an ein Dorf, das auf einmal sehr reitzend im Freyen vor ihm lag.
Das erste, was ihm in die Augen fiel, war ein Wirthshaus, vor welchem sich ein schöner grü¬ ner Platz bis an den Fluß ausbreitete. Auf dem Platze sah er einen, mit ungewöhnlichem und räth¬ selhaften Geräth schwerbepackten Wagen stehen und mehrere sonderbare Gestalten, die wunderlich mit der Luft zu fechten schienen. Wie erstaunte er aber, als er näher kam, und mitten unter ihnen Leontin und Fabern erkannte. -- Leontin, der ihn schon von weitem über den Hügel kommen sah, rief ihm sogleich entgegen: Kommst du auch angezogen, neumodischer Don Quixote, Lamm Gottes, du sanf¬ ter Vogel, der immer voll schöner Weisen ist, ha¬ ben sie dir noch nicht die Flügel gebrochen? Mir war schon lange zum sterben bange nach dir! Frie¬ drich sprang schnell vom Pferde und fiel ihm um den Hals. Er hielt Leontins Hand mit seinen bey¬ den Händen und sah ihm mit gränzenloser Freude in das lebhafte Gesicht; es war, als entzünde sich sein innerstes Leben jedesmal neu an seinen schwar¬ zen Augen.
Er bemerkte indeß, daß die Menschen ringsum, die ihm schon von weitem aufgefallen waren, auf das abentheuerlichste in lange spanische Mäntel ge¬ hüllt waren und sich immerfort, ohne sich von ihm stören zu lassen, wie Verrückte mit einander unter¬ hielten. Ha, verzweifelte Sonne! rief einer von ihnen, der eine Art von Turban auf dem Kopfe
ges an ein Dorf, das auf einmal ſehr reitzend im Freyen vor ihm lag.
Das erſte, was ihm in die Augen fiel, war ein Wirthshaus, vor welchem ſich ein ſchöner grü¬ ner Platz bis an den Fluß ausbreitete. Auf dem Platze ſah er einen, mit ungewöhnlichem und räth¬ ſelhaften Geräth ſchwerbepackten Wagen ſtehen und mehrere ſonderbare Geſtalten, die wunderlich mit der Luft zu fechten ſchienen. Wie erſtaunte er aber, als er näher kam, und mitten unter ihnen Leontin und Fabern erkannte. — Leontin, der ihn ſchon von weitem über den Hügel kommen ſah, rief ihm ſogleich entgegen: Kommſt du auch angezogen, neumodiſcher Don Quixote, Lamm Gottes, du ſanf¬ ter Vogel, der immer voll ſchöner Weiſen iſt, ha¬ ben ſie dir noch nicht die Flügel gebrochen? Mir war ſchon lange zum ſterben bange nach dir! Frie¬ drich ſprang ſchnell vom Pferde und fiel ihm um den Hals. Er hielt Leontins Hand mit ſeinen bey¬ den Händen und ſah ihm mit gränzenloſer Freude in das lebhafte Geſicht; es war, als entzünde ſich ſein innerſtes Leben jedesmal neu an ſeinen ſchwar¬ zen Augen.
Er bemerkte indeß, daß die Menſchen ringsum, die ihm ſchon von weitem aufgefallen waren, auf das abentheuerlichſte in lange ſpaniſche Mäntel ge¬ hüllt waren und ſich immerfort, ohne ſich von ihm ſtören zu laſſen, wie Verrückte mit einander unter¬ hielten. Ha, verzweifelte Sonne! rief einer von ihnen, der eine Art von Turban auf dem Kopfe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0234"n="228"/>
ges an ein Dorf, das auf einmal ſehr reitzend im<lb/>
Freyen vor ihm lag.</p><lb/><p>Das erſte, was ihm in die Augen fiel, war<lb/>
ein Wirthshaus, vor welchem ſich ein ſchöner grü¬<lb/>
ner Platz bis an den Fluß ausbreitete. Auf dem<lb/>
Platze ſah er einen, mit ungewöhnlichem und räth¬<lb/>ſelhaften Geräth ſchwerbepackten Wagen ſtehen und<lb/>
mehrere ſonderbare Geſtalten, die wunderlich mit<lb/>
der Luft zu fechten ſchienen. Wie erſtaunte er<lb/>
aber, als er näher kam, und mitten unter ihnen<lb/>
Leontin und Fabern erkannte. — Leontin, der ihn<lb/>ſchon von weitem über den Hügel kommen ſah, rief<lb/>
ihm ſogleich entgegen: Kommſt du auch angezogen,<lb/>
neumodiſcher Don Quixote, Lamm Gottes, du ſanf¬<lb/>
ter Vogel, der immer voll ſchöner Weiſen iſt, ha¬<lb/>
ben ſie dir noch nicht die Flügel gebrochen? Mir<lb/>
war ſchon lange zum ſterben bange nach dir! Frie¬<lb/>
drich ſprang ſchnell vom Pferde und fiel ihm um<lb/>
den Hals. Er hielt Leontins Hand mit ſeinen bey¬<lb/>
den Händen und ſah ihm mit gränzenloſer Freude<lb/>
in das lebhafte Geſicht; es war, als entzünde ſich<lb/>ſein innerſtes Leben jedesmal neu an ſeinen ſchwar¬<lb/>
zen Augen.</p><lb/><p>Er bemerkte indeß, daß die Menſchen ringsum,<lb/>
die ihm ſchon von weitem aufgefallen waren, auf<lb/>
das abentheuerlichſte in lange ſpaniſche Mäntel ge¬<lb/>
hüllt waren und ſich immerfort, ohne ſich von ihm<lb/>ſtören zu laſſen, wie Verrückte mit einander unter¬<lb/>
hielten. Ha, verzweifelte Sonne! rief einer von<lb/>
ihnen, der eine Art von Turban auf dem Kopfe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[228/0234]
ges an ein Dorf, das auf einmal ſehr reitzend im
Freyen vor ihm lag.
Das erſte, was ihm in die Augen fiel, war
ein Wirthshaus, vor welchem ſich ein ſchöner grü¬
ner Platz bis an den Fluß ausbreitete. Auf dem
Platze ſah er einen, mit ungewöhnlichem und räth¬
ſelhaften Geräth ſchwerbepackten Wagen ſtehen und
mehrere ſonderbare Geſtalten, die wunderlich mit
der Luft zu fechten ſchienen. Wie erſtaunte er
aber, als er näher kam, und mitten unter ihnen
Leontin und Fabern erkannte. — Leontin, der ihn
ſchon von weitem über den Hügel kommen ſah, rief
ihm ſogleich entgegen: Kommſt du auch angezogen,
neumodiſcher Don Quixote, Lamm Gottes, du ſanf¬
ter Vogel, der immer voll ſchöner Weiſen iſt, ha¬
ben ſie dir noch nicht die Flügel gebrochen? Mir
war ſchon lange zum ſterben bange nach dir! Frie¬
drich ſprang ſchnell vom Pferde und fiel ihm um
den Hals. Er hielt Leontins Hand mit ſeinen bey¬
den Händen und ſah ihm mit gränzenloſer Freude
in das lebhafte Geſicht; es war, als entzünde ſich
ſein innerſtes Leben jedesmal neu an ſeinen ſchwar¬
zen Augen.
Er bemerkte indeß, daß die Menſchen ringsum,
die ihm ſchon von weitem aufgefallen waren, auf
das abentheuerlichſte in lange ſpaniſche Mäntel ge¬
hüllt waren und ſich immerfort, ohne ſich von ihm
ſtören zu laſſen, wie Verrückte mit einander unter¬
hielten. Ha, verzweifelte Sonne! rief einer von
ihnen, der eine Art von Turban auf dem Kopfe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/234>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.