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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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und ein gewisses tyrannisches Anseh'n hatte, willst
du mich ewig bescheinen? Die Fliegen spielen in
deinem Licht, die Käfer im -- ruhen selig in dei¬
nem Schooße, Natur! Und ich -- und ich --,
warum bin ich nicht ein Käfer geworden, uner¬
forschlich waltendes Schicksal? -- Was ist der
Mensch? -- Ein Schaum. Was ist das Leben? --
Ein nichtswürdiger Wurm. -- Umgekehrt, grade
umgekehrt, wollen Sie wohl sagen, rief eine ande¬
re Stimme. -- Was ist die Welt? fuhr jener fort,
ohne sich stören zu lassen, was ist die Welt? --
Hier hielt er inne und lachte grinsend und Weltver¬
achtend wie Abellino unter seinem Mantel hervor,
wendete sich darauf schnell um und faßte unvermu¬
thet Herrn Faber, der eben neben ihm stand, bey
der Brust. Ich verbitte mir das, sagte Faber är¬
gerlich, wie oft soll ich noch erklären, daß ich
durchaus nicht mit in den Plan gehöre! -- Laß
dich's nicht wundern, sagte endlich Leontin zu Frie¬
drich, der aus dem allen nicht gescheid werden
konnte, das ist eine Bande Schauspieler, mit de¬
nen ich auf der Strasse zusammengetroffen, und seit
gestern reise. Wir probieren so eben eine Komödie
aus dem Stegreif, zu der ich die Lineamente un¬
terwegs entworfen habe. Sie heißt: "Bürgerlicher
Seelenadel und Menschheitsgröße, oder der tugend¬
hafte Bösewicht, ein psychologisches Trauerspiel in
fünf Verwirrungen der menschlichen Leidenschaften,"
und wird heute Abend in dem nächsten Städtchen
gegeben werden, wo der gebildete Magistrat zum

und ein gewiſſes tyranniſches Anſeh'n hatte, willſt
du mich ewig beſcheinen? Die Fliegen ſpielen in
deinem Licht, die Käfer im — ruhen ſelig in dei¬
nem Schooße, Natur! Und ich — und ich —,
warum bin ich nicht ein Käfer geworden, uner¬
forſchlich waltendes Schickſal? — Was iſt der
Menſch? — Ein Schaum. Was iſt das Leben? —
Ein nichtswürdiger Wurm. — Umgekehrt, grade
umgekehrt, wollen Sie wohl ſagen, rief eine ande¬
re Stimme. — Was iſt die Welt? fuhr jener fort,
ohne ſich ſtören zu laſſen, was iſt die Welt? —
Hier hielt er inne und lachte grinſend und Weltver¬
achtend wie Abellino unter ſeinem Mantel hervor,
wendete ſich darauf ſchnell um und faßte unvermu¬
thet Herrn Faber, der eben neben ihm ſtand, bey
der Bruſt. Ich verbitte mir das, ſagte Faber är¬
gerlich, wie oft ſoll ich noch erklären, daß ich
durchaus nicht mit in den Plan gehöre! — Laß
dich's nicht wundern, ſagte endlich Leontin zu Frie¬
drich, der aus dem allen nicht geſcheid werden
konnte, das iſt eine Bande Schauſpieler, mit de¬
nen ich auf der Straſſe zuſammengetroffen, und ſeit
geſtern reiſe. Wir probieren ſo eben eine Komödie
aus dem Stegreif, zu der ich die Lineamente un¬
terwegs entworfen habe. Sie heißt: „Bürgerlicher
Seelenadel und Menſchheitsgröße, oder der tugend¬
hafte Böſewicht, ein pſychologiſches Trauerſpiel in
fünf Verwirrungen der menſchlichen Leidenſchaften,“
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[229/0235] und ein gewiſſes tyranniſches Anſeh'n hatte, willſt du mich ewig beſcheinen? Die Fliegen ſpielen in deinem Licht, die Käfer im — ruhen ſelig in dei¬ nem Schooße, Natur! Und ich — und ich —, warum bin ich nicht ein Käfer geworden, uner¬ forſchlich waltendes Schickſal? — Was iſt der Menſch? — Ein Schaum. Was iſt das Leben? — Ein nichtswürdiger Wurm. — Umgekehrt, grade umgekehrt, wollen Sie wohl ſagen, rief eine ande¬ re Stimme. — Was iſt die Welt? fuhr jener fort, ohne ſich ſtören zu laſſen, was iſt die Welt? — Hier hielt er inne und lachte grinſend und Weltver¬ achtend wie Abellino unter ſeinem Mantel hervor, wendete ſich darauf ſchnell um und faßte unvermu¬ thet Herrn Faber, der eben neben ihm ſtand, bey der Bruſt. Ich verbitte mir das, ſagte Faber är¬ gerlich, wie oft ſoll ich noch erklären, daß ich durchaus nicht mit in den Plan gehöre! — Laß dich's nicht wundern, ſagte endlich Leontin zu Frie¬ drich, der aus dem allen nicht geſcheid werden konnte, das iſt eine Bande Schauſpieler, mit de¬ nen ich auf der Straſſe zuſammengetroffen, und ſeit geſtern reiſe. Wir probieren ſo eben eine Komödie aus dem Stegreif, zu der ich die Lineamente un¬ terwegs entworfen habe. Sie heißt: „Bürgerlicher Seelenadel und Menſchheitsgröße, oder der tugend¬ hafte Böſewicht, ein pſychologiſches Trauerſpiel in fünf Verwirrungen der menſchlichen Leidenſchaften,“ und wird heute Abend in dem nächſten Städtchen gegeben werden, wo der gebildete Magiſtrat zum

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/235>, abgerufen am 23.11.2024.