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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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arbeitete von nun an Tag und Nacht, um seine Stu¬
dien zu vollenden und sich ein Einkommen zu er¬
werben. Es vergieng indeß längere Zeit, als er
geglaubt hatte, das Mädchen fieng an, von Zeit
zu Zeit launisch zu werden, bekam häufige Anfälle
von Langerweile und -- eh' er sich's versah, war
sie verschwunden. Mein mühsam erspartes Geld,
fuhr der Student weiter fort, hatte ich indeß im¬
mer wieder auf verschiedene Einfälle und Launen des
Mädchens zersplittert, meine Aeltern wollten nichts
von mir wissen, mein innerstes Leben hatte mich
auf einmal betrogen, die Studenten lachten entsetz¬
lich, es war der schmerzlichste und unglücklichste Au¬
genblick meines Lebens. Ich ließ alles und reiste
dem Mädchen nach. Nach langem Irren fand ich
sie endlich bey diesen Komödianten wieder, denn
es ist dieselbe, die vorhin hier weggegangen. Sie
kam sehr freudig auf mich zugesprungen, als sie
mich erblickte, doch ohne ihre Flucht zu entschuldi¬
gen oder im geringsten unnatürlich zu finden. --
Meine Mutter ist seitdem aus Gram gestorben.
Ich weiß, daß ich ein Narr bin und kann doch nicht
anders.

Die Thränen standen ihm in den Augen, als
er das sagte. Friedrich, der wohl einsah, daß der
gute Mensch sein Herz und sein Leben nur weg¬
werfe, rieth ihm mit Wärme, sich ernstlich zusam¬
menzunehmen und das Mädchen zu verlassen, er
wolle für sein Auskommen sorgen. -- Der Verlieb¬
te schwieg still. -- Laß doch die Jugend fahren!

arbeitete von nun an Tag und Nacht, um ſeine Stu¬
dien zu vollenden und ſich ein Einkommen zu er¬
werben. Es vergieng indeß längere Zeit, als er
geglaubt hatte, das Mädchen fieng an, von Zeit
zu Zeit launiſch zu werden, bekam häufige Anfälle
von Langerweile und — eh' er ſich's verſah, war
ſie verſchwunden. Mein mühſam erſpartes Geld,
fuhr der Student weiter fort, hatte ich indeß im¬
mer wieder auf verſchiedene Einfälle und Launen des
Mädchens zerſplittert, meine Aeltern wollten nichts
von mir wiſſen, mein innerſtes Leben hatte mich
auf einmal betrogen, die Studenten lachten entſetz¬
lich, es war der ſchmerzlichſte und unglücklichſte Au¬
genblick meines Lebens. Ich ließ alles und reiste
dem Mädchen nach. Nach langem Irren fand ich
ſie endlich bey dieſen Komödianten wieder, denn
es iſt dieſelbe, die vorhin hier weggegangen. Sie
kam ſehr freudig auf mich zugeſprungen, als ſie
mich erblickte, doch ohne ihre Flucht zu entſchuldi¬
gen oder im geringſten unnatürlich zu finden. —
Meine Mutter iſt ſeitdem aus Gram geſtorben.
Ich weiß, daß ich ein Narr bin und kann doch nicht
anders.

Die Thränen ſtanden ihm in den Augen, als
er das ſagte. Friedrich, der wohl einſah, daß der
gute Menſch ſein Herz und ſein Leben nur weg¬
werfe, rieth ihm mit Wärme, ſich ernſtlich zuſam¬
menzunehmen und das Mädchen zu verlaſſen, er
wolle für ſein Auskommen ſorgen. — Der Verlieb¬
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[232/0238] arbeitete von nun an Tag und Nacht, um ſeine Stu¬ dien zu vollenden und ſich ein Einkommen zu er¬ werben. Es vergieng indeß längere Zeit, als er geglaubt hatte, das Mädchen fieng an, von Zeit zu Zeit launiſch zu werden, bekam häufige Anfälle von Langerweile und — eh' er ſich's verſah, war ſie verſchwunden. Mein mühſam erſpartes Geld, fuhr der Student weiter fort, hatte ich indeß im¬ mer wieder auf verſchiedene Einfälle und Launen des Mädchens zerſplittert, meine Aeltern wollten nichts von mir wiſſen, mein innerſtes Leben hatte mich auf einmal betrogen, die Studenten lachten entſetz¬ lich, es war der ſchmerzlichſte und unglücklichſte Au¬ genblick meines Lebens. Ich ließ alles und reiste dem Mädchen nach. Nach langem Irren fand ich ſie endlich bey dieſen Komödianten wieder, denn es iſt dieſelbe, die vorhin hier weggegangen. Sie kam ſehr freudig auf mich zugeſprungen, als ſie mich erblickte, doch ohne ihre Flucht zu entſchuldi¬ gen oder im geringſten unnatürlich zu finden. — Meine Mutter iſt ſeitdem aus Gram geſtorben. Ich weiß, daß ich ein Narr bin und kann doch nicht anders. Die Thränen ſtanden ihm in den Augen, als er das ſagte. Friedrich, der wohl einſah, daß der gute Menſch ſein Herz und ſein Leben nur weg¬ werfe, rieth ihm mit Wärme, ſich ernſtlich zuſam¬ menzunehmen und das Mädchen zu verlaſſen, er wolle für ſein Auskommen ſorgen. — Der Verlieb¬ te ſchwieg ſtill. — Laß doch die Jugend fahren!

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/238>, abgerufen am 23.11.2024.