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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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der Staaten, ein neuer Welttheil für ihn, oder
vielmehr die ganze Welt und was der ewige Geist
des Menschen strebte, dachte und wollte, in weni¬
gen großen Umrissen, vor dessen unermeßner Aus¬
sicht sein Innerstes aufjauchzte.

Ihm träumte einmal, als er in der Nacht einst
so über seinen alten Büchern eingeschlummert, als
weckte ihn ein glänzendes Kind aus langen lieblichen
Träumen. Er konnte kaum die Augen aufthun vor
Licht, von so wunderbarer Hohheit und Schönheit
war des Kindes Angesicht. Es wieß mit seinem klei¬
nen Rosenfinger von dem hohen Berge in die Ge¬
gend hinaus, da sah er ringsum eine unbegränzte
Runde, Meer, Ströme und Länder, ungeheuere,
umgeworfene Städte mit zerbrochenen Riesensäulen,
das alte Schloß seiner Kinderjahre seltsam verfallen,
einige Schiffe zogen hinten nach dem Meere, auf
dem einen stand sein verstorbener Vater, wie er ihn
oft auf Bildern gesehen, und sah ungewöhnlich
ernsthaft, -- alles doch wie in Dämmerung aufar¬
beitend, zweifelhaft und unkenntlich, wie ein ver¬
wischtes großes Bild, denn ein dunkler Sturm
gieng über die ganze Aussicht, als wäre die Welt
verbrannt, und der ungeheure Rauch davon lege sich
nun über die Verwüstung. Dort, wo des Vaters
Schiff hinzog, brach darauf plötzlich ein Abendroth
durch den Qualm hervor, die Sonne senkte sich fern
nach dem Meere hinab. Als er ihr so nachsah, sah
er dasselbe wunderschöne Kind, das vorhin neben ihm

gewesen,

der Staaten, ein neuer Welttheil für ihn, oder
vielmehr die ganze Welt und was der ewige Geiſt
des Menſchen ſtrebte, dachte und wollte, in weni¬
gen großen Umriſſen, vor deſſen unermeßner Aus¬
ſicht ſein Innerſtes aufjauchzte.

Ihm träumte einmal, als er in der Nacht einſt
ſo über ſeinen alten Büchern eingeſchlummert, als
weckte ihn ein glänzendes Kind aus langen lieblichen
Träumen. Er konnte kaum die Augen aufthun vor
Licht, von ſo wunderbarer Hohheit und Schönheit
war des Kindes Angeſicht. Es wieß mit ſeinem klei¬
nen Roſenfinger von dem hohen Berge in die Ge¬
gend hinaus, da ſah er ringsum eine unbegränzte
Runde, Meer, Ströme und Länder, ungeheuere,
umgeworfene Städte mit zerbrochenen Rieſenſäulen,
das alte Schloß ſeiner Kinderjahre ſeltſam verfallen,
einige Schiffe zogen hinten nach dem Meere, auf
dem einen ſtand ſein verſtorbener Vater, wie er ihn
oft auf Bildern geſehen, und ſah ungewöhnlich
ernſthaft, — alles doch wie in Dämmerung aufar¬
beitend, zweifelhaft und unkenntlich, wie ein ver¬
wiſchtes großes Bild, denn ein dunkler Sturm
gieng über die ganze Ausſicht, als wäre die Welt
verbrannt, und der ungeheure Rauch davon lege ſich
nun über die Verwüſtung. Dort, wo des Vaters
Schiff hinzog, brach darauf plötzlich ein Abendroth
durch den Qualm hervor, die Sonne ſenkte ſich fern
nach dem Meere hinab. Als er ihr ſo nachſah, ſah
er daſſelbe wunderſchöne Kind, das vorhin neben ihm

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[256/0262] der Staaten, ein neuer Welttheil für ihn, oder vielmehr die ganze Welt und was der ewige Geiſt des Menſchen ſtrebte, dachte und wollte, in weni¬ gen großen Umriſſen, vor deſſen unermeßner Aus¬ ſicht ſein Innerſtes aufjauchzte. Ihm träumte einmal, als er in der Nacht einſt ſo über ſeinen alten Büchern eingeſchlummert, als weckte ihn ein glänzendes Kind aus langen lieblichen Träumen. Er konnte kaum die Augen aufthun vor Licht, von ſo wunderbarer Hohheit und Schönheit war des Kindes Angeſicht. Es wieß mit ſeinem klei¬ nen Roſenfinger von dem hohen Berge in die Ge¬ gend hinaus, da ſah er ringsum eine unbegränzte Runde, Meer, Ströme und Länder, ungeheuere, umgeworfene Städte mit zerbrochenen Rieſenſäulen, das alte Schloß ſeiner Kinderjahre ſeltſam verfallen, einige Schiffe zogen hinten nach dem Meere, auf dem einen ſtand ſein verſtorbener Vater, wie er ihn oft auf Bildern geſehen, und ſah ungewöhnlich ernſthaft, — alles doch wie in Dämmerung aufar¬ beitend, zweifelhaft und unkenntlich, wie ein ver¬ wiſchtes großes Bild, denn ein dunkler Sturm gieng über die ganze Ausſicht, als wäre die Welt verbrannt, und der ungeheure Rauch davon lege ſich nun über die Verwüſtung. Dort, wo des Vaters Schiff hinzog, brach darauf plötzlich ein Abendroth durch den Qualm hervor, die Sonne ſenkte ſich fern nach dem Meere hinab. Als er ihr ſo nachſah, ſah er daſſelbe wunderſchöne Kind, das vorhin neben ihm geweſen,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/262>, abgerufen am 23.11.2024.